Warum lesen junge Menschen Lokalzeitung? Wir machen ein Experiment: Der Auszubildende Hendryk (23) testet für zwei Wochen die WAZ. Die Ergebnisse veröffentlicht er in seinem Blog und hier bei “Was mit Medien.” Eine Einführung gibt es hier. Die nächsten Teile seiner Serie könnt ihr in den kommenden Tagen an dieser Stelle nachlesen.
VON HENDRYK SCHÄFER
Thank God it’s friday! Sollte dieser schöne Spruch auch für die WAZ gelten? Für einige Herner sicherlich nicht. Nach zehn anstrengenden Jahren der Diskussionen und Klagen sollte an diesem Tag die Forensik in Herne eingeweiht werden, auch sonst schien sich endlich mal wieder ein wenig mehr Weltbewegendes ereignet zu haben, und es gab mal wieder Platz für ein Bild samt Rahmen.
Auf dem Titel hieß es noch so schön „Drei Skandale erschüttern die Bundeswehr“ und dies sollte auch das Tagesthema sein, allein „Guttenberg unter Beschuss“ als Titel des Beitrag auf der zweiten Seite war dann doch sehr … humorvoll?! Hätte man dann nicht im Rahmen des mutmaßlichen Missmanagements bei der Deutschen Bahn in Sachen Verkehrsminister Ramsauer (CSU) titeln können „Ramsauer unter die Räder gekommen“? Diese gewitzte Seite an der WAZ war mir dann doch neu.
Ebenso humorvoll war es auf der nächsten Seite um einen kurzen Bericht über Oktopus Paul geschehen – Sie erinnern sich, die lebenden Calamares, denen man hellseherisches Talent in Sachen Fußball zugedichtet hatte – beziehungsweise um dessen Bestattung (ja, er ist tot, aber so ist das ja bisweilen mit Überbringern schlechter Nachrichten). Dort hieß es dann im Untertitel „Die Bestattung des Tintenfischs gerät zum Medienspektakel. Noch einmal beherrscht der Orakel-Kraken die Schlagzeilen“ und ich kannte da jemanden, der dazu beigetragen hatte. Wer das sein sollte, das spielt hier keine Rolle, aber ich denke, es reicht zu wissen, dass dies keine Agenturmeldung war.
Auf die nächste Rhein-Ruhr-Seite sollten es – welch‘ außergewöhnliche Prominenz! – gleich zwei Meldungen mit direktem Herner Bezug schaffen. Zum einen gab es einen Hauch von Gerichtsberichterstattung, weil eine Gruppe Herner Jugendlicher auf einem für Cruising sehr beliebten Rastplatz schwule Männer überfallen und ausgeraubt hatte, zum anderen schaffte es die Eröffnung der Forensik auf diese Seite, mit dem sehr passenden Titel „Herne, die Klinik und die Angst“. Man male sich dazu doch mal ein Altar-Tryptichon aus, welch‘ Gaumenfreuden kämen da wohl auf? Sehr treffend fand ich auch, dass es ein Zitat schaffte, in rot und größer hervorgehoben zu werden, welches so typisch für jede Debatte über unangenehme Notwendigkeiten ist: „Warum ausgerechnet hier bei uns, in Wanne-Eickel?„
Einmal davon abgesehen, dass es „Wanne-Eickel“ statt „Herne“ hieß, was wiederum Anlass genug böte für eine mehrbändige Anthologie über das gespaltene Verhältnis der Bewohner Hernes, welche in den Stadtteilen Wanne und Eickel leben, zu den Rest-Hernern, zeigte es doch wunderbar ein sehr übliches Verhältnis vieler Menschen zu so vielen Dingen: Ob es jetzt Atomkraftwerke, Mobilfunkmasten oder eben forensische Kliniken sind, ob sie jetzt gut- oder schlechtgefunden werden, es ist alles zweitrangig, sofern es nicht in unmittelbarer Nachbarschaft steht. Atombombenversuche – nein, danke, jedenfalls nicht in meinem Garten!
Doch abgesehen davon schaffte es dieser Mantelteil, ein paar Geschichten zu beleuchten, die mir durch’s Raster gefallen waren – weil ich manche Seite nicht abonniert hatte, weil sie anderswo nicht auftauchten, weil, weil, weil. Insofern war es bis dato, und bis zum Ende dieses Teils, die beste Ausgabe der WAZ für diese Woche. Dass sie mich nicht in allem zu interessieren vermochte, sei geschenkt, das ist nunmal die Natur der Sache, wenn noch mehr Leser angesprochen werden wollen.
Auch der Lokalteil machte seine Sache gut: Die Eröffnung der Forensik war das Tagesthema für Herne, also wurde auch sehr breit und umfangreich darüber berichtet, Chapeau, und auch die Überfälle auf Homosexuelle fanden ein umfangreicheres Echo als im Mantelteil. Kaum jedoch war der Lokalteil vorbei, war es wieder da, das Loch namens „Schludrigkeit“. Eine ganze Seite vergeudet, weil sie am Tag zuvor schon erschienen war. … Meine liebe Damen und Herren, ich kenne es ja auch, dass ich Banalitäten übersehe, wenn ich zu sehr und lange schon an einer Sache arbeite – aber fällt es da niemandem auf, wenn die ganze Seite „Hochschule“ erneut abgedruckt wird, führt da niemand Buch über die Geschichten, die schon erschienen sind? Sowas ist einfach nur ärgerlich!
Und sonst? Nix sonst. Das vierte Buch hab‘ ich dann nur noch gelangweilt durchgeblättert, war nicht so wirklich interessant für mich. Nu. Nur eines war da noch, was mich doch ein wenig positiv stimmte: Ich hatte ja die halb abgebrochenen Titel bei DerWesten.de bemerkt und daraufhin auch @DerWestenBochum, den DerWesten-Twitteraccount für Bochum, Herne, Castrop und Gedöns angeschrieben. Ich hatte nicht wirklich mit einer Reaktion gerechnet, hatte ich diesen Account doch bis dato mit einer Ausnahme nur als weiteren Publikationskanal wahrgenommen. Das änderte sich dann an diesem Tag, nahm man sich meiner Klage an und korrigierte, was es zu korrigieren gab. Merci.
Ebenso ein Dank für die Freitagsbeilage rtv, die mitfinanzierte Fernsehzeitschrift. Sicher, sie ist nichts weltbewegend Gutes, nicht schön, nicht anspruchsvoll, voller Werbung für Abführmittel, Treppenlifte und andererlei Tand, der mich nicht anspricht, nicht einmal aus Mediengestaltersicht, höchstens abstoßend, aber darum geht es ja auch nicht. Es ist eine rudimentäre Fernsehprogrammzeitschrift für eine Woche und dafür reicht es. Das Wochenende konnte nun kommen, und damit die umfangreichste Ausgabe der WAZ, die aber dann erst im nächsten Post.
Die Serie WAZ sollen wir lesen erscheint ab sofort auch auf “Was mit Medien”, nachdem Hendryk die Texte bereits in seinem Blog veröffentlichte, so auch diesen Teil 5. Den nächsten Text veröffentlichen wir am Freitagmorgen.
Tipp: Uns gibt es auch als RSS-Feed in verschiedenen Geschmacksrichtungen. Hier gibt es unsere Texte aus dem Blog und hier gibt es unseren wöchentlichen Podcast.