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The Daily, Huffington Post & AOL: Die Wette auf alte Geschäftsprinzipen!

Wer den Long Tail auszunutzen weiß, der wird Erfolg haben. Wer wie Google denkt, hat eine Zukunft. Links und Aufmerksamkeit sind die Währungen der Zukunft. Das sind Schlagworte, die von den Neu-Denkern der Medienszene wie ein Mantra auf und ab gebloggt und gebetet werden. Trotzdem ist das perfekte Geschäftsmodel für den digitalen Journalismus noch nicht gefunden. Was in diesen Tagen überrascht: The Daily, die erste iPad-Tageszeitung der Welt, und der Verkauf der Huffington Post an AOL zeigen, wie konservativ die Akteure handeln und auf die Lehren der digitalen Avantgarde pfeiffen. Aber eins ist klar: Diese Wette auf alte Geschäftsprinzipien muss noch gewonnen werden!

Von Daniel Fiene

Was steckt aber hinter The Daily und dem Verkauf der Huffington Post an AOL? Schauen wir uns zunächst an, was hinter diesen Meldungen steckt.

The Daily: Wenn alte Medienhäuser zu First Movern werden

The Daily ist aus publizistischer Sicht spannend, da es sich um eine ganz neue Marke handelt. Es handelt sich nicht um eine bestehende Printmarke, die eine App als zusätzlichen Vertriebsweg einsetzt. Eine neue Redaktion stellt eine ganz neue elektronische Tageszeitung auf die Beine. Täglich werden 100 Seiten auf das iPad ausgeliefert. Die Rubriken unterscheiden sich von der klassischen Tageszeitung, wie wir sie kennen: „Nachrichten“, „Klatsch“, „Meinung“, „Kunst & Leben“, „Apps & Spiele“ und „Sport“. Die erste Ausgabe in der vorletzten Woche hat mit der Revolution in Ägypten aufgemacht. Ansonsten sind die Inhalte sehr stark auf den amerikanischen Markt fokussiert. So handelte am Donnerstag die zweite Geschichte im Nachrichtenbereich von einem republikanischen Politiker, der sich in einer Muskelpose mit nacktem Oberkörper auf dem Kleinanzeigenportal Craiglist zeigte, und sich so fulminant aus dem US-Congress verabschiedete. Der Superbowl war natürlich in den letzten Tagen eins der Schwerpunktthemen. Bei diesem größten US-Sportevent bediente die Redaktion die komplette Klaviatur des multimedialen Geschichten-Erzählens.

Mein erstes Fazit: The Daily kommt wie eine klassische Zeitung daher. Aber warum gibt es tägliche Ausgaben? Ist diese Periodik kein Relikt der Print-Ära? Es gibt zwar kleinere Aktualisierungen über den Tag, oder Live-Inhalte  via Twitter – aber ist der 24-Stunden-Rhytmus für den Leser nötig? Trotzdem: Die Lektüre ist eine Wundertüte. Ich weiß als Leser nicht, ob ich mit der nächsten Seite einen Text, ein großes Foto, ein 360-Grad- Panorama, eine animierte Infographik oder gar ein Video erwische – im wahrsten Sinne des Wortes erwische, denn durch „The Daily“ blättert man nicht – man wischt mit seinem Finger.

The Daily: Es steht nichts drin, obwohl viel drin steht

Dirk Manthey, der Gründer vom Onlinedienst Meedia, schrieb etwas interessantes: „Das ganze Projekt hat nur eine Schwachstelle: in dieser Zeitung steht praktisch nichts drin! Die Stories sind alt und oberflächlich, es fehlen journalistische Schwerpunkte, alles plätschert so dahin.“ Das stimmt. Ich bin immer wieder enttäuscht, wie kurz die Artikel sind. Auf der anderen Seite schaffe ich es doch nicht, die ganze Ausgabe zu lesen. Es gibt einfach zu viele Artikel! Inhaltlich ist The Daily wahrlich weder Die Zeit, noch eine FAZ; aber: Es ist auch kein typisches Murdoch-Boulevard-Blatt (wobei Murdoch nicht nur für die boulevardeske „The Sun“  steht, sondern auch für The Times oder gar „The Wall Street Journal“, eine der mit einflussreichsten US-Zeitungen). „The Daily“ sucht seinen eigenen Weg: Text ist nur ein Teil der Geschichte und nicht der Hauptteil, wie sonst in Tageszeitungen üblich. Statt 10 tiefgründige Artikel auf 100 Seiten auszubreiten, gibt es eben täglich 60 oder 70 Artikel. Ich glaube fast, dass die Macher sich beim prototypischen Leser ungeduldige TV-Zapper vorgestellt haben, die nach wenigen Sekunden Aufmerksamkeit zum nächsten Kanal schalten, bis sie ein Thema finden, dass sie interessiert. Immerhin hat Murdoch fast 130 Journalisten eingestellt, die diese Artikel schreiben sollen. Es sollen eigene Geschichten sein und keine umgeschriebenen Agenturmeldungen.

The Daily: Auf die Masse kommt es an

„Neue Zeiten verlangen einen neuen Journalismus”, so stellte Rupert Murdoch sein neuestes publizistisches Kind vor.  Nun, den konnte ich bisher nicht entdecken. Erfolgschancen sehe ich trotzdem: Denn, The Daily ist billig. Ein Wochenabo kostet 99 US-Cent. Das sind 14 Cent am Tag. Das ist ein Kampfpreis. Ich habe Ende Januar Murdochs Sohn James gehört, der er über den Preis sprach: James meinte, der Zugang müsste super einfach sein, damit möglichst viele The Daily lesen (eine Mitschrift seiner Zitate gibt es in unserem Hörsaal). Die breit aufgestellten Inhalte und der Kampfpreis zeigen: Es geht um den Massenmarkt! Es ist der typische US-Couchpotato gefragt, und nicht die Infoelite. Ist das aber neuer Journalismus? Ich habe Zweifel. Murdoch setzt bislang ausschließlich auf das iPad. Das ist zwar gerade schrecklich angesagt – aber setzt die Publikation der Zukunft nur auf einen Vertriebsweg?

Huffington Post: Warum AOL zuschlagen musste

Auch hier geht es um Masse! Die Huffington Post ist eine der meistbesuchten News- und Kommentar-Webseiten in den USA. AOL benötigt genau diese Besucher, um sich als Inhalte-Anbieter zu positionieren. Im Februar soll die Huffington Post 47 Millionen Mal besucht worden sein. Allerdings will AOL nicht wie Murdoch mit einem geringen Abopreis genügend Geld verdienen – der Ex-Online-Zugangsdienst setzt auf Werbung. Die Huffington Post arbeitet bereits nach diesem Prinzip profitabel. Die Inhalte sind frei zugänglich und werden durch Werbung finanziert. Von diesem Erfolg will AOL jetzt profitieren und mit den anderen inhaltlichen Angeboten verzahnen.

Huffington Post: Ein Amerikanischer Traum

Vielleicht hofft AOL durch diese Webseite auch Strahlkraft zurück zu gewinnen. Die Huffington Post hat etwas vom Amerikanischen Traum. Gegründet wurde sie von der republikanischen liberalen US-Kommentatorin Arianna Huffington. Sie wußte es, gekonnt prominente Schreiber für ihre Webseite gewinnen können, um eine alternative Nachrichtenseite groß zu machen. Es gehörte schon bald für bestimmte Kreise zum guten Ton in der Huffington Post veröffentlichen zu dürfen. Heute gibt es mehr als 9.000 Blogger, die für das Projekt schreiben. Vielleicht schreiben kostenlos. Die Huffington Post ist also sehr ideel getrieben. Dennoch ist sie finanziell erfolgreich, denn neben einer geschickten Suchmaschinenoptimierung gibt es neben der großen Politik auch viel Unterhaltung und Klatsch: Die Huffington Post als eine intellektuelle Bildzeitung. Die Macher der Webseite sehen sich selbst eher als ein großer öffentlicher Platz, auf dem Diskussionen stattfinden.

Huffington Post: Kritik an der neuen Geschäftstüchtigkeit der Gründerin

Der AOL-Verkaut hat viele kritische Stimmen laut werden lassen. Einige Fragen sich, warum die Huffington Post sich in die Fänge (oder Obhut) eines Konzerns wie AOL begibt, wo es doch finanziell läuft. Andere sehen die ideele Grundlage zerstört. Einige Blogger haben angekündigt die Plattform zu verlassen. Sie verstehen nicht, warum Arianna Huffington durch den Verkauf gutes Geld in die eigene Tasche wirtschaftet, während sie in den vergangenen Jahren Viele kostenlos für sich hat arbeiten lassen.

Arianna Huffington hat viele externe Schreiber mit Aufmerksamkeit bezahlt und nicht mit Geld. Das funktioniert bei einem öffentlichen Platz. Wenn aber ein Großkonzern wie AOL kommt, und seine Werbeplakate aufhängt, dann stößt das übel auf. Wenn das zu vielen aufstößt, könnte die Attraktivität dieses öffentliches Platzes leiden und die AOL-Strategie mit Werbung Geld zu verdienen, könnte langfristig scheitern. Arianna Huffington – die hat erstmal aber gut Geld verdient. Der Verkauf hat einen Wert von 315.000.000 US-Dollar.

FAZIT

Murdoch glaubt bei seinem Produkt The Daily nicht an Boulevard, sondern an das, was den Boulevard so ertragreich machte: Der Massenmarkt. AOL setzt auf das, womit Verleger und TV- und Rundfunkanbieter in den letzten Jahrzehnten sehr viel Geld verdient haben: Werbung. Arianna Huffington hat sich ihr Konto mit einer gängigen unternehmerischen Handlung vergolden lassen: Sie hat ihr Start-Up verkauft. Innovation sieht anders aus. Aber wenn so Journalismus bezahlt werden kann?

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Dieser Text basiert auf meinen Notizen für meine Besprechung zu diesem Thema in der aktuellen Deutschlandradio Kultur Sendung Breitband. Das Gespräch könnt ihr auf der Sendungsseite noch einmal nachhören.

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