Lego-Männchen am Kopierer; Rechte: Flickr/Legozilla, CC BY 2.0

“Rechtlich glatter und dünner Boden” – contra Leistungsschutzrecht

Lego-Männchen am Kopierer; Rechte: Flickr/Legozilla, CC BY 2.0Die Koalition in Berlin hat beschlossen: Das Leistungsschutzrecht für Presseverleger soll kommen. Zahlen sollen gewerbliche Anbieter von Suchmaschinen oder Newsaggregatoren. Der freie Journalist Mario Sixtus ist dagegen. In Was mit Medien 271 hat er uns gesagt: Das Leistungsschutzrecht diene nur einer Handvoll Unternehmern, die nicht in der Lage seien, am Markt klarzukommen.

Herr Pähler: Was würde das Leistungsschutzrecht aus deiner Sicht für einen Effekt haben?

Mario Sixtus: Ich denke, dass sich die Koalition wirklich nicht darüber klar ist, was sie da beschlossen hat. Es kann sein, dass Google News einfach dicht macht. Nach eigenen Angaben verdient Google an Google News kein Geld. Es kann auch sein – das war 2006 in Belgien der Fall – dass Google sämtliche Suchergebnisse der deutschen Verleger aus dem Index tilgt und einfach keine Treffer mehr von der FAZ oder der Süddeutschen Zeitung anzeigt. 2006 haben die Verleger in Belgien gegen Google News geklagt und dort recht bekommen. Daraufhin hat Google nicht nur Google News dicht gemacht, sondern sämtliche Verlagsangebote aus dem Index getilgt, was die Verlage sehr empört zur Kenntnis genommen haben.

Dazu muss man wissen, dass 40 bis 50 Prozent der Nutzer, die Verlagsangebote aufrufen, über die Suchmaschinen und damit überwiegend über Google kommen und dass die Verlage tatsächlich eine ganze Menge Geld in die Hand nehmen, um Suchmaschinenoptimierung bezahlen, also Fachleute, die so lange an den Seiten schrauben, bis sie möglichst weit oben in den Google-Ergebnissen angezeigt werden.

Es ist also eine sehr verlogene Debatte. Anders kann man das nicht nennen, denn Google ist Traffic-Lieferant, liefert Leser und soll dafür bezahlen. Ich habe das in einem Artikel einmal mit einem Restaurantbesitzer verglichen, der vom Taxiunternehmer Geld haben will, weil dieser mit dem Taxi Gäste ins Restaurant bringt. Das ist absurd.

Dennis Horn: Wenn wir von Google weggehen: Wen würde das noch treffen?

Mario Sixtus: Das ist alles sehr schwammig gehalten. Ich fürchte, es wird auch nicht weiter konkretisierbar sein. Wer zählt denn als Nachrichtenaggregator? Ein Blogger, der sich morgens durchs Nachrichtengeschehen wühlt und einen Blogeintrag mit zehn Links verteilt und die Überschriften übernimmt – wäre der schon ein Aggregator, obwohl er das von Hand macht? Oder zählen als Aggregatoren nur maschinengetriebene Angebote? Dann wäre so etwas wie Rivva nicht mehr denkbar, mehr oder weniger ein Hobbyprojekt von Frank Westphal, das er seit Jahren nebenbei betreibt. Dieses Angebot listet Treffer auf, über die gerade besonders intensiv diskutiert wird, Zeitungsartikel, aber auch Blogtexte. Das ist ein automatisiertes System. Das müsste dann wahrscheinlich auch vom Netz gehen.

Was ich befürchte, ist eine ganz große rechtliche Unsicherheit: dass ich nicht mehr weiß, was kann ich zitieren, wohin kann ich linken, wann kommt der Springer-Verlag mit seiner Rechtsabteilung, um mich abzumahnen?

Was ich auch sehr grauzonig sehe, ist der Begriff des Presseverlages. In der vordigitalen Welt konnte man das sehr einfach definieren: Presseverlage sind Leute, die Zeitungen drucken und verkaufen. Aber im Online-Zeitalter lässt sich das nicht mehr so einfach trennen. Ein Blogger, der das politische Tagesgeschehen kommentiert, ist ja auch journalistisch tätig. Was unterscheidet ihn im reinen Online-Sinne von einem Verlag? Nach meinem Verständnis könnte sich auch dieser Blogger als Verlag sehen. Man kann das ja schlecht daran festmachen, ob man ein eingetragenes Unternehmen ist oder eine Ein-Personen-Gesellschaft.

Im Grundgesetz ist jedem die Aufnahme einer journalistischen Tätigkeit freigestellt. Das ist ganz bewusst so formuliert, damit es keine staatlich lizensierte Presse gibt. Würde der Gesetzgeber hingehen und bestimmen, wer ein Presseverlag ist oder nicht, wäre das ein Gesetz, das sofort von Karlsruhe kassiert wird. Auch auf der Seite der Profiteure ist das also sehr grauzonig. Ich weiß wirklich nicht, ob die Koalition wusste, was sie da für ein Fass aufgemacht hat, was sie da für rechtlich glatten und dünnen Boden betreten hat.

Herr Pähler: Was erwartest du, wie es jetzt mit dem Leistungsschutzrecht weitergeht?

Mario Sixtus: Wir müssen jetzt erst einmal auf den konkreten Entwurf warten. Ich denke, auf den werden wir auch noch ein bisschen warten, denn Rechtsexperten haben ja schon im Vorfeld genau diese Problematik angesprochen.

Es ist auch für mich immer noch nicht ganz ersichtlich, welche Leistung da eigentlich geschützt werden soll. Es ist ja nicht so, dass der Autor dieses Artikels davon profitiert, denn er hat ja schon das Urheberrecht, und das ist schon ein paar Tage älter. Es soll wohl das redaktionelle Zusammenstellen und Onlinestellen eines Artikels oder mehrerer Artikel irgendwie geschützt werden.

Das kann dazu führen, dass nicht nur ein Werk unter diesen Schutz fällt, sondern eine Nachricht selbst. Wenn die Nachricht lautet: “Deutschland gewinnt im Fußball gegen Polen 1:0.” – dann ist das normalerweise ein pure Information, die ich einfach weitergeben kann, ohne mir darüber große Gedanken zu machen. Wenn ich aber zufällig genau mit dieser Wortwahl die Überschrift eines Angebots von Axel Springer zitiert habe, kann mir das künftig unter Umständen Probleme machen.

Da wird ein riesiges Fass an Unsicherheit aufgemacht und ins Internet geschüttet, nur weil eine Handvoll Unternehmer nicht in der Lage ist, am Markt klarzukommen.

“Unfair, perfide, parasitär” – pro Leistungsschutzrecht

Voriger Artikel

Folge 271

Nächster Artikel

“Unfair, perfide, parasitär” – pro Leistungsschutzrecht

0 0,00