Redakteure appellieren an die Intendanten: Text gehört bei ARD.de & ZDF.de dazu!

Müssen ARD und ZDF künftig im Netz auf Text verzichten? Dieses Szenario sorgt derzeit für ordentlichen Gesprächsstoff. Nicht nur zwischen den Intendanten und Verlegern, sondern auch bei den verantwortlichen Onlinern bei den öffentlich-rechtlichen Sendern. Sie fürchten, das Medium Internet künftig nicht mehr frei bespielen zu können.

In einigen Medien war von offener Kritik zu lesen, einige ARD-Mitarbeiter äußern sich auch in sozialen Netzwerken besorgt. So hat einer das nebenstehende Bild angefertigt: Es zeigt die Tagesschau-Startseite, auf der alle Textinhalte ausgeblendet werden. Ein Flickenteppich.

Noch vor Aschermittwoch könnte die Vereinbarung zwischen den Intendanten und den Verlegern präsentiert werden, wie aus ARD-Kreisen zu hören ist. Die Arbeitsgemeinschaft der öffentlichen-rechtlichen Redakteursauschüsse hat einen Appell an die Intendanten gerichtet, über den wir mit Sprecher Georg Berg in Was mit Medien 269 sprachen. Es folgt die leicht geglättete Abschrift des Gesprächs.

Was mit Medien: Wie genau sieht Ihr Appell an die Intendanten aus?

Georg Berg: Wir hatten schon im November letzten Jahres eine Tagung. Da haben wir uns über die Online-Strategien der Sender ausgetauscht. Es gab eine Arbeitsgruppe die einen Appell, der ja jetzt notwendig geworden ist, erarbeitet hat. An dem Tag, an dem die TAZ diese Gerüchte veröffentlicht hatte, sahen wir es an der Zeit, diesen Appell an die Intendanten zu richten. Wir haben jeden einzelnen Intendanten, und jede Intendantin der ARD und auch des ZDF angeschrieben und ihnen unseren Appell zugeschickt. Wir gehen da vor allem auf die Entwicklungsmöglichkeiten des Internets ein, denn wir finden das die Qualität des öffentlich-rechtlichen Medienangebotes maßgeblich damit zusammenhängt.

Wozu appellieren Sie?

Der Kerninhalt unseres Appells macht sich beispielhaft am Begriff der “Presseähnlichkeit” fest. Die Verleger haben gegen die tagesschau-App geklagt. Sie führen den Begriff der “Presseähnlichkeit”, der schon so im Gesetz steht, an. Sie legen an dieses neue Medium, die App, die Kategorien eines alten Mediums an, indem sie mehr oder weniger den Anteil von Text am Gesamtwerk zum Kennzeichen der Presseähnlichkeit stilisieren. Das verbietet sich für uns, denn die Angebote die ARD & ZDF produzieren sind längst multimedialer Natur. Texte, Bilder, Audios, Videos, interaktive Elemente, Musik und auch soziale Netzwerke. All das ergänzt sich, besonders im Online-Medium. Entsprechend ist auch unsere Produktionsweise. Unsere Anstalten sind längst crossmedial organisiert. Es ist der journalistische Alltag, der von Redakteuren verantwortet wird, der solche Produktionsweisen bestimmt. Aus der Art des Ereignisses ergibt sich dann die Art, wie multimedial darüber berichtet wird. Das würde durch eine starre Festlegung, wie sie jetzt vereinbart werden soll, verhindert.

Mal angenommen, dieser Entwurf kommt durch. Was fürchten dann die Redakteure?

Wir sehen, dass wir die verfassungsrechtlich-garantierten Entwicklungsmöglichkeiten wahrnehmen wollen. Wenn wir in der journalistischen Praxis davon abstand nehmen, sehen wir diese Entwicklung gefährdet. Obwohl es Unruhe in den Redaktionen gibt, wollen wir den Verhandlungen unserer Intendantinnen und Intendanten mit den Verlegern nicht vorgreifen. Wir haben Anlass dazu, dass auch unser Appell in diesen Beratungen mit berücksichtigt wird. Wir hoffen, dass wir unsere gerechtfertigte Position im Ergebnis dann auch wieder finden.

Inwieweit haben Sie als Redakteure, die Tag für Tag  journalistisch und crossmedial mit dem Medium Internet arbeiten, überhaupt Einflussmöglichkeiten, was die Positionierung der ARD und der Intendanten angeht? Werden Sie gehört oder muss es erst soweit kommen, dass sie einen Appell starten müssen, damit Sie sich einbringen können? Eigentlich hätte man doch andersherum vorgehen können. Bevor man in Verhandlungen mit den Verlegern geht, geht man auf die Redakteure zu und sagt “ihr arbeitet tagtäglich mit dem Netz – was ist denn aus eurer Sicht wichtig”?

Nun muss man sehen: Der Anlass ist die Klage der Verleger. Es wird natürlich laufend diskutiert. Es ist kein Alarm-Zustand, sodass wir jetzt einen Appell richten. Da wir wussten, dass verhandelt wird, wollten wir auf die uns wichtigen Punkte, hinweisen. Das ist ein ganz normaler Vorgang. Es wird in der Presse jetzt ein bisschen so dargestellt, dass es eine ganz große Uneinigkeit gäbe. Natürlich gibt es ganz unterschiedliche Auffassungen. So lebendig wird bei uns nunmal diskutiert.

Inwieweit ist so eine Einigung zwischen öffentlich-rechtlichen Sender und den Verlegern überhaupt nötig? Ist das nicht vielleicht auch eine Diskussion von gestern?

Ich habe das so verstanden, dass das vom Gericht aufgegeben wurde. Wenn eine Klage verhandelt wird, kann das Gericht zwischendurch die Parteien auffordern, dass sie sich einigen. Es ist ja durchaus begrüßenswert, dass man miteinander redet. Das findet statt. Wir hoffen eben, dass es zu einem guten Ergebnis kommt.

Vielleicht auch etwas von der Klage gelöst; was müßte geschehen, damit die Onliner von ARD, ZDF & Co. zufrieden sind?

Wir wollen nicht, dass irgendetwas verhindert wird. Wir sehen wie die Entwicklung weiter geht. Wir sehen beispielsweise, dass es eine immer größere Zahl mobiler Endgeräte gibt, die gerade auch von jüngeren Rezipienten genutzt werden. Da kann man natürlich nicht auf die Inhalte-Verbreitung in Form von Apps verzichten. Dann würde man die Zuschauer von morgen verlieren. Wir können auch nicht sagen, wir verzichten auf die Texte, die notwendig sind, damit man in Suchmaschinen auch gefunden werden kann. Das ist ein essentieller Bestandteil. Man könnte natürlich auch andersherum sagen, “presseähnlich” ist es immer dann, wenn Papier raschelt. So wollen wir es auch nicht sehen. Zu einem Medium gehört alles dazu. Das ist ein Verbund. Texte, Audios, Videos und so weiter.

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