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Apples Newsstand — Kiosk und Zeitungsbote in einem

Apple hat am Abend sein neues mobiles Betriebssystem iOS 5 für den Herbst angekündigt, und hierbei auch den neuen Newsstand angekündigt. Ein iTunes für Non-Fiction, oder besser: Einen iBookstore für Zeitungen und Zeitschriften. Die Apple-Welt dreht sich!

Damit eins klar ist: Wir reden über ungelegte Eier. Noch ist der Newsstand nicht da. Nur Entwickler können sich die Betaversionen bereits anschauen. Doch führt man gewisse Apple-Erfahrungen der letzten Jahre fort, stoßen wir auf interessante Perspektiven.

VON DANIEL FIENE

Während Google im Februar noch sein Bezahlsystem One Pass vorstellte, was zwar durch seine Offenheit beeindruckte, in der Realität bisher aber kaum im Einsatz zu sehen ist, gerät Apple mit seiner Ankündigung wieder direkt auf die Überholspur: Die angekündigte Lösung für digitale Produzenten scheint an Komfort nicht zu überbieten zu sein. Weder für Anbieter. Noch für Nutzer.

Da treten all die kritischen Fragen am geschlossenen Modell und die Kundenhoheit durch Apple erst einmal in den Hintergrund. Vielleicht sogar zurecht: Wenn im Herbst iOS 5 erscheint, könnte der Newsstand das werden, was iTunes heute für die Musikindustrie ist — der wichtigste digitale Vertriebsweg.

Kiosk und Zeitungsbote in einem

Die Idee ist für den Leser simpel: In einem schönen Holzregal liegen seine gekauften Zeitschriften und Zeitungen aus. Er kann sie auswählen und lesen. In einem Shop können neue Publikationen gekauft werden. Im Gegensatz zum iBookstore gibt es eine Aboverwaltung. Der Leser kann periodische Veröffentlichungen abonnieren und erhält morgens automatisch die neusten Ausgaben ausgeliefert. Diese sind dann auch offline verfügbar. Wie praktisch: Bisher mussten wir noch vor die Tür, um die Zeitung aus dem Briefkasten zu fischen, jetzt muss der Leser nur noch den Arm ausstrecken und zu seinem Appke-Gerät greifen. Ein manuelles Aktualisieren oder das Starten eines Programms, welches zum Beispiel beim Aktualisieren von Podcasts bisher nötig war, gibt es erst gar nicht im Newsstand.

Und das macht auch den Reiz für Leser und Anbieter aus: Ein gelerntes Modell wird klug und einfach digital übertragen.

Newsstand ist überfällig

Bereits im vergangenen September gab es Gerüchte über Verhandlungen zwischen Apple und Verlegern. Der Axel Springer Verlag ist gestern bei der Apple-Keynote auch an die Wand geworfen worden, als einer der Verlage, die sich beim Newsstand zum Start beteiligen. Die Gerüchte um solch ein Angebot gab es schon lange, so gab es auch einen Bedarf.

Auch wenn 2010 das Thema Apps durch die Verlage sehr gehypt wurden, scheint sich das digitale Leserfieber auf zahlenden Kunden nicht übertragen zu haben. Für jede  Zeitschrift und jede Zeitung eine eigene App? Für jede Ausgabe per Hand nachladen? Bequem ist das nicht. Die gefühlten Hürden sind groß, und dafür auch noch Geld ausgeben? Das scheint auch Apple verstanden zu haben.

Diese Bequemlichkeit dürfte es den Verlegern auch wert sein, dass sie sich einem strikten Regiment unterordnen und Apple wohl 30 Prozent der Einnahmen überweisen werden. Goole One Pass verlangt zwar nur 10 Prozent und ist offener, aber auch komplizierter.

Auch eine Chance für Nicht-Verlage

Worüber nachzudenken ist: Der iBookstore, der dem Newsstand zugrunde liegt, hat noch nicht das Image ein Mega-Erfolg zu sein.  150 Millionen Downloads nannte Apple für den iBookstore, was im Vergleich zu 15 Milliarden Verkäufen im im iTunes Music Store mickrig wirkt. Auf der anderen Seite hat der iBookstore nichts zu bieten gehabt, was die Käufer nicht auch schon bei Amazon hatten.

Was aber zu erwarten ist: Der Newsstand dürfte auch auf lange Sicht für individuelle Anbieter spannend werden. Schon im Podcastbereich reihen sich kleine Anbieter direkt neben den großen Medienmarken im iTunes-Podcast-Verzeichnis auf. Auch im iBookstore können unabhängige Autoren ihre Bücher ohne Verlag einreichen. Auf diese Zugänglichkeit hat Apple immer geachtet, um auch hier die Vorteile des Longtail nutzen zu können.

Mit diesen Vorteilen im Kopf, die sich im Herbst dann bewahrheiten müssen, fällt der Vergleich zu Google One Pass anders aus, als wir ihn noch im Februar gesehen haben: Google One Pass fehlt im Vergleich zum Newsstand eine übergreifende Vision. Google One Pass kann derzeit höchstens mit einem Argument gegen den Newsstand antreten; eben nicht zur Apple-Welt zu gehören.

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