Die Jury hat dem Spiegel-Autor René Pfister den Henri-Nannen-Preis für die beste Reportage aberkannt. Im Kern geht es darum, dass er eine Szene geschildert hat, wo er nicht dabei gewesen ist. Nicht nur beim Spiegel ist jetzt die Aufregung groß. Das Vorgehen in dieser Reportage gilt als nicht unüblich. Aber was lernen wir aus dieser Journalisten-Preis-Posse? Herr Pähler kommentiert!
Einmal im Jahr vergibt eine Jury besetzt mit den renommiertesten Journalisten dieses Landes den renommiertesten Journalistenpreis dieses Landes. Sorgfältig prüfen, lesen und schauen sie journalistische Beiträge und wählen am Ende denjenigen aus, der den Preis am meisten verdient hat. Derjenige darf sich dann ein Leben lang freuen, Preisträger zu sein. So ist das normalerweise beim Henri-Nannen-Preis. Nur in diesem Jahr nicht. Der Spiegel-Redakteuer René Pfister bekam erst den Preis für die beste Reportage dieses Jahres: eine Geschichte über den CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer. Aber nach wenigen Tagen war der gerade noch hochgelobte Preisträger seinen Preis schon wieder los. Die Jury erkannte ihm den Preis wieder ab, weil er in dem szenischen und plastisch beschriebenen Einstieg seiner Geschichte nicht kenntlich gemacht hatte, dass er selbst die dort beschriebene Szene nie erlebt hatte. Die Jury empörte das, denn sie fand das journalistisch unsauber, da unglaubwürdig, und nahm Pfister den Preis wieder weg.
Das wiederum empörte zahlreiche andere renommierte Journalisten, die Pfister in Schutz nahmen. So zum Beispiel Harald Martenstein oder Hans Leyendecker. Der Vorwurf: Die Jury habe erst nicht richtig hingesehen und dabei übersehen, dass Pfister nie den Eindruck habe erwecken wollen, die Szene wirklich selbst erlebt zu haben. Er habe eigentlich noch nicht einmal eine richtige Reportage schreiben wollen, sondern ein Porträt. Und dann habe die Jury nicht die Größe und Souveränität besessen, dem Preisträger seinen Preis dennoch zu belassen. Martenstein bringt es – wie ich finde – treffend auf den Punkt indem er sagt, es gebe kaum etwas Schlimmeres als einen einmal zuerkannten Preis wieder aberkannt zu bekommen. Dann wird man im besten Fall zum Schmuddelkind, im schlimmsten Fall zum Guttenberg. Das hat Pfister nicht verdient. Finden viele Kommentatoren. Finde auch ich. Vor allem weil es absolut verbreitet und auch anerkannt ist, so zu arbeiten wie der Spiegel Redakteur. Auch wenn er sicher nicht 100%ig sauber gearbeitet hat, ist nicht Pfister derjenige der kritisiert werden muss. Sondern die Jury selbst. Denn sie hat auch nicht sauber gearbeitet. Hätte sie das getan, hätte sie vorher gemerkt, dass Pfister die besagte Szene nie erlebt hat. Möglicherweise hätte Pfister den Preis dann nie bekommen. Man hätte ihm diesen aber auch nicht wieder wegnehmen können.
Aus meiner Sicht ist es am Ende dennoch ein beinahe Happy-End. Erstens, weil René Pfister so viel Zuspruch in der Debatte erhält, verteidigt wird und somit längst rehabilitiert ist. Zweitens weil die Debatte zeigt, dass der deutsche Journalismus und seine Vertrter sehrwohl zu einer kritischen Selbstreflektion in der Lage sind. Und dritttens, weil überhaupt auf breiter Basis über journalisitsche Qualität gestritten wird. Warum nur beinahe Happy-End? Nun ja: Am Ende ergeht es Rene Pfister wie Schalke 04. Er ist doch nur Meister der Herzen. Und dafür ist er auch ein kleines bisschen selbst verantwortlich.