Umbruch im Blätterwald (Foto: Flickr.com / carmichaellibrary)
Umbruch im Blätterwald (Foto: Flickr.com / carmichaellibrary)
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Von Redaktionen und Fusionen – die Sparversuche der Verleger

Umbruch im Blätterwald (Foto: Flickr.com / carmichaellibrary)

Outsourcen, fusionieren, entlassen – seit die Auflagenzahlen sinken werden diese Begriffe von den großen Verlagen immer häufiger in den Mund genommen. Sie laufen alle auf ein Ziel hinaus: weniger Personal soll für weniger Gehalt ein Maximum an Leistung bringen. Welche Konsequenzen haben diese Sparmaßnahmen für die Qualität der Blätter und sind solche Schritte tatsächlich unvermeidbar? Daniel Fiene stellt fest: Wird zu viel gespart, gerät eine ganze Branche in Gefahr. Dieser Beitrag lief am 08. März im Rahmen der Serie “Umbruch im Blätterwald” im WDR 5 Morgenecho und kann auch online nachgehört werden.

VON DANIEL FIENE

Mann: “Die WAZ ist ja die einzige Zeitung hier in Herne – die hat ja keinen Einfluß mehr.” Frau: “Wissen Sie was? Ich überfliege die immer nur. Mein Mann liest die stundenlang.” Mann: “Die berichten nicht genau. Kann man vergessen”. Mann: “Ich fühle mich genauso gut informiert, weil alles immer ordentlich geschrieben ist. Das ist auch für Leute, die nicht studiert haben, verständlich. Das ist heutzutage ja wichtig.”

Stimmen aus dem Ruhrgebiet. Eine Region in NRW die von Verleger-Sparmaßnahmen in den letzten Jahren hart getroffen wurde. 2008 entschloss sich der WAZ-Konzern zu drastischen Sparplänen. Zahlreiche Lokalredaktionen mussten schließen. Rund 300 – also ein Drittel der Redakteure – mussten gehen. Die Gewerkschaften sprachen von Untergangsstimmung. Auf der Straße scheint dies heute bei den Lesern kaum eine Rolle zu spielen. Anders bei Thomas Austermann. Er war Sport-Chef der Lokalredaktion der Münsterschen Zeitung. Die Lokalredaktion wurde 2007 über Nacht komplett vor die Tür gesetzt. Verleger Lensing-Wolff entschied sich mit einer neuen jüngeren und vor allem günstigeren Mannschaft weiterzumachen. Diese neue Münstersche Zeitung liest Austermann heute nicht mehr.

„Ich weiß, wie da im Haus gearbeitet wird. Ich weiß, welche Tarife dort bezahlt werden und ich weiß, dass ich da nicht mehr arbeiten könnte.“ Thomas Austermann.

Das Entlassen und Outsourcing der Redaktion ist für Austermann der Höhepunkt der Probleme, die sich über viele Jahre aufgestaut haben. In den 80ern hatte das Medienhaus Lensing aus Dortmund die Münstersche Zeitung übernommen.

„Der große Verlag hatte nachher den Nachteil, dass uns nachher Leute vorgesetzt waren, die mit der Materie an sich wenig zu tun hatten. Wir waren von Menschen abhängig, die gar nicht aus Münster kamen, sondern aus dem Ruhrgebiet. Die hatten von dem, was in Münster passierte herzlich wenig Ahnung“, Thomas Austermann.

Wenn Manager das Sagen übernehmen und dabei stärker auf die Finanzen achten, sind Spannungen programmiert. Natürlich ist Rentabilität wichtig, sagt Professor Armin Scholl, Kommunikationsswissenschaftler an der Uni Münster, aber nicht um jeden Preis.

“Die Frage ist: Sind solche Streichungen ökonomisch notwendig, oder sind sie mehr oder weniger eine Art Luxus für den Verleger, die damit die Rendite in einer so großen Höhe halten wollen, wie es zu den besten Zeiten mal war.” Armin Scholl.

Sparen Verleger zu stark, ist Journalismus nicht mehr möglich, so Scholl.

„Da müssen Verleger genau drüber nachdenken, wie viele Streichung überhaupt möglich ist – ob eine Streichung der Abbau einer luxuriösen Redaktionsgröße ist, oder ob man damit eine Grenze unterschreitet, die qualitativen Journalismus nicht mehr zulässt.“ Armin Scholl.

Dem stimmt auch Stefan Weigel von Gruner und Jahr zu. Im Zuge der Medienkrise wurden die eigenständigen Redaktionen der Wirtschaftszeitungen, wie der Financial Times Deutschland oder von Capital, aufgelöst und in einer Zentralredaktion untergebracht. Den Vorwurf der inhaltlichen Austauschbarkeit lässt der stellvertretende Chefredakteur der Wirtschaftsredaktion aber nicht gelten.

„Ich habe das nie verstanden, weil wir eine Redaktion mit 250 Wirtschaftsredakteuren haben. Das ist ein so großer Hühnerhaufen, da hat man schon Schwierigkeiten, wenn man die für einen Titel auf Linie bringen möchte.“ Stefan Weigel.

Der leitende Gruner und Jahr Angestellte erklärt aber, dass die Umstellung auf die Zentralredaktion und die Schließung einzelner Standorte auch für Verlage keine Freude ist.

„Sie können nicht einfach so vielen Menschen kündigen und glauben, das geht so gut und das ist keine Belastung. Das ist für die Menschen, die eine Kündigung bekommen, ein riesen Schock, das ist aber auch für alle die da bleiben und das ganze abwickeln und organisieren müssen, eine hohe menschliche Belastung.“ Stefan Weigel.

Trotzdem müssen sich Verlage die Frage stellen, wie sie in Zukunft arbeiten wollen. Und zu den Antworten gehöre einfach eine Zentralredaktion, so Weigel.

„Ein reisen Vorteil ist, dass man flexibler bei der Personalplanung ist. Ein Ressortleiter hat jetzt mehr Redakteure zur Verfügung, als er das vorher hat. Die müssen zwar auch mehr machen, aber: Er kann Lücken die durch Urlaube oder Krankheit ausgleichen, in dem ein Kollege vertritt.“ Stefan Weigel.

Wie Gruner und Jahr hat auch der Kölner Verlag DuMont-Schauberg eine Zentralredaktion für seine Zeitungen gegründet. So soll nicht jede Redaktion des Kölner Stadt-Anzeigers, der Frankfurter Rundschau oder der Berliner Zeitung separat ein Thema von überregionalem Interesse bearbeiten – hier soll die Zentralredaktion zuliefern. Das ist nicht unproblematisch, sagt Kommunikationswissenschaftler Armin Scholl:

„Wenn man sich die Bedeutung der Frankfurter Rundschau ansieht, deren Bedeutung drastisch zurück gegangen ist, dann sieht man hier schon einen Verlust, in diesem Spektrum der überregionalen Zeitungen, der kaum kompensierbar ist.“ Armin Scholl.

Zu große Redaktionen sind in Zeiten sinkender Auflagen und sinkender Werbeerlöse nicht mehr finanzierbar. Die Herausforderung besteht für die Verleger darin, nicht zu sehr an den goldenen Zeiten nach zu hängen, und die Grenze zu erkennen, an der Sparpotential aufhört und der Imageverlust beginnt.

„Eigentlich sind die Sparmaßnahmen schon längst am Ende angekommen. Viel mehr zu sparen, erdrosselt den Journalismus. Dementsprechend werden sich die Verleger fragen müssen, ob sie überhaupt noch Journalismus haben wollen, oder ob das irgendetwas anderes ist. Ich kann das gar nicht benennen, was das sein soll, aber es nicht mehr das, was Journalismus einmal ausgemacht hat.“ Armin Scholl.

Zurück nach Münster. Thomas Austermann hat mit dem Thema Tageszeitung abgeschlossen. Er betreibt heute mit einem Ex-Kollegen die lokale Sportnachrichtenwebseite Echo Münster. Er ist froh, inzwischen auf das Internet zu setzen.

„Wir sind sehr flexibel. Wir haben auch unglaublich viele junge Leserschaften. Was Leistungssport angeht haben wir unglaublich viele junge Leute – und die lesen keine Tageszeitung mehr“, Thomas Austermann.

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Dieser Beitrag lief am 08. Februar 2011 im WDR 5 Morgenecho. Hier geht es zur Sendungsseite. Das WDR 5 Morgenecho ist werktags von 06:00 – 08:55 Uhr zu hören. Links: Sender– Sendungsseite – Frequenzen– Livestream.

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