WAZ (Foto: Flickr/DOGMA_85p)

WAZ sollen wir lesen? Das Zeitungsabo-Exerpiment (6)

Warum lesen junge Menschen Lokalzeitung? Wir machen ein Experiment: Der Auszubildende Hendryk (23) testet für zwei Wochen die WAZ. Die Ergebnisse veröffentlicht er in seinem Blog und hier bei “Was mit Medien.” Eine Einführung gibt es hier. Die nächsten Teile seiner Serie könnt ihr in den kommenden Tagen an dieser Stelle nachlesen.

VON HENDRYK SCHÄFER

Es ist Samstag, der 22. Januar 2011, und meine Wenigkeit schläft aus. Endlich, muss ich hinzufügen. Als ich die Augen aufschlage, ist es draußen schon hell (das gab es an den Tagen zuvor nicht) und die WAZ liegt schon im Briefkasten (auch das war morgens um Fünf noch nicht der Fall). Ich hatte alle Zeit der Welt – und dann sollte es ums Zölibat und den einhundertfünfundzwanzigsten Geburtstag des Automobils gehen. Ich hatte Hoffnung.

Es war einer dieser Tage, an denen Ulrich Reitz, Chefredakteur der WAZ, Hüter desReitzthemas und mir aus unerfindlichen Gründen nicht sympathisch, einen Kommentar auf der Titelseite schreiben sollte.

Einschub, ich kann nicht anders

„Reitzthema“ ist alles, wozu Chefredakteur Reitz eine Meinung hat und kundtut. „Reitzthema“ war auch mal eine Veranstaltungsreihe, die Herr Reitz moderierte und sich so drängenden Fragen wie „Wie halten wir unseren Nachwuchs im Land?“ (PDF) widmete. Auf derwesten.de werden die verbloggten Kommentare bei reizthema.de jedenfalls wie folgt angekündigt: „Das Reitzthema ist diie (sic!) Seite für die großen gesellschaftlichen Debatten“.
Das musste ich natürlich überprüfen. Mein Ergebnis: 23 Beiträge (davon einer von einer Gastautorin) und insgesamt 64 Kommentare, wobei allein 20 sich auf den Beitrag „Stürzt Westerwelle, weil er schwul ist?“ stürzten. Anders gesagt: rund drei Kommentare pro Beitrag, wenn das mal nicht große gesellschaftliche Debatten sind. Aber genug davon, ich soll ja auch mal lieb sein. Und: Jeder hat mal klein angefangen.

Der Titel des Kommentars von Herrn Reitz war das, was auf der nächsten Seite mit „Fazit:“ eingeleitet worden wäre: „Ein netter Appell, aber Zölibat bleibt“, nur dass die Seite 2 zwischen „der“ und „das“ (Zölibat) hätte entscheiden müssen, aber gut, wir wollen ja nicht päpstlicher als der Papst sein. Nichstdestotrotz kam es auch hier zu eine folgenschweren Flüchtigkeitsfehler: Der Zölibat sollte laut Artikelende auf Seite 2 einen Kommentar haben und das Tagesthema sein. Dort fand sich dann aber nur eine Seite über Scheidungen im Alter als Tagesthema, was ebenso auf der Titelseite angekündigt worden war. Der Zölibat fand sich dann unter ferner liefen. Ohne Kommentar. … Das alles fiel mir aber erst später auf, hatte ich doch zuvor herzlich über den Sakurai, die politische Karikatur, gelacht.
Sonst gab es keine Auffälligkeiten, weder positive noch negative, jedenfalls nicht in den vier wochentagsüblichen Bücher. Sicher, der Who-was-there-Artikel im Lokalteil über die Forensik-Eröffnung war nichts Herausragendes und die Reportage über die Helfer des Technischen Hilfwerks, die die gestrandeten Schiffer auf dem Rhein bei St. Goar versorgen, war nicht von schlechten Eltern, aber nichts davon konnte meine Erwartungen über- oder untertreffen. Das sollte mir zu denken geben.

Zum Glück gibt es in der WAZ am Wochenende noch ein vollwertiges journalistisches Buch namens (wie sollte es auch anders sein) „Wochenende“. Kurz umrissen beínhaltete dieses Buch ein wenig von allem: ein fast ganzseitiges Bild, mit dem für eine andere Seite geworben wird, eine Seite Feuilleton mit Buchrezensionen, eine Seite Feuilleton, die sich anlässlich der tausendsten Folge hauptsächlich mit dem Entstehen des wochenendlichen Comicstrips „Dr. Bubi Livingston“ befasste – nichts Außergewöhnliches, wenn man so etwas schon über einen anderen Comic gelesen hat, aber dennoch immer ganz nett, wenn es nicht gerade miserabel geschrieben ist – einer Doppelseite „Panorama“ mit einem Interview über die Zukunft des Autos (natürlich mit einem ehemaligen Automobilmanager) und unter anderem der Kolumne „netzhaut“ der von mir sehr geschätzten Chefin von Dienst am Online-Desk Katrin Scheib (@kscheib), auch wenn ich nicht ihrer Meinung war, einer Kinderseite (die nichts mit der lokalen Kinder- und Jugendseite zu tun hat, für welche ich dammals™ geschrieben hatte) und einer Wissensseite mit für mich unnützem Wissen. Zuletzt dann das „Kaleidoskop“ oder auch „Irgendwohin müssen die Farbcomics, Kreuzworträtsel und Sudokus ja hin“. Müssen sie ja auch – und seitdem der Wochenend-WAZ die Auto-Seite mit den Autotests abhanden gekommen war, wurde das meine Lieblingsseite im Wochenend-Buch, weil sie mich nie mit uninteressanten Geschichten langweilen konnte – und weil die Kombination aus „Dr. Bubi Livingston“„Frühreif!“ und„Touché“ (gerade Touché!) einfach unschlagbar ist.

Was dann noch die Zeitung so dick machen sollte, interessierte mich nicht weiter. Ob „ReiseJournal“, „Gesund & Aktiv“ oder Stellenanzeige, diese „Verlagssonderveröffentlichungen“, die bisweilen vor Werbung nur so strotzen, lese ich dann mal, wenn ich sie brauche. Jedenfalls nicht heute.

Heute, und das war in dem Fall an jenem Samstag, fehlte mir etwas, etwas Wichtiges. Ich konnte es nicht greifen, aber das sollte noch kommen, obwohl ich es schon länger gespürt hatte und mich schon oft darüber ausgelassen hatte, es sollte eigentlich auch nichts Neues sein, aber nu. Davon will ich später erzählen, und auch nicht im nächsten Post, sondern erst im übernächsten. Ich sollte in der nächsten Woche nämlich nicht mehr so sehr zum Lesen kommen, aber das erzähle ich im nächsten und vorletzten (ja, es geht zu Ende mit mir bzw. dieser Reihe) Post.

Die Serie WAZ sollen wir lesen erscheint ab sofort auch auf “Was mit Medien”, nachdem Hendryk die Texte bereits in seinem Blog veröffentlichte, so auch diesen Teil 6. Den nächsten Text veröffentlichen wir am Dienstagmorgen.

Tipp: Uns gibt es auch als RSS-Feed in verschiedenen Geschmacksrichtungen. Hier gibt es unsere Texte aus dem Blog und hier gibt es unseren wöchentlichen Podcast.

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