WAZ (Foto: Flickr/DOGMA_85p)

WAZ sollen wir lesen? Das Zeitungsabo-Experiment (1)

Warum lesen junge Menschen Lokalzeitung? Wir machen ein Experiment: Der Auszubildende Hendryk (23) testet für zwei Wochen die WAZ. Die Ergebnisse veröffentlicht er in seinem Blog und hier bei “Was mit Medien.” Eine Einführung gibt es hier. Die nächsten Teile seiner Serie könnt ihr in den kommenden Tagen an dieser Stelle nachlesen.

VON HENDRYK SCHÄFER

Ich bin, weiß Gott, kein einfacher Zeitungsleser, im Gegenteil, ich bin wahrscheinlich sogar ziemlich anstrengend, weil ziemlich schwer zufriedenzustellen. Das will ich einfach mal vorweg schicken. Ich bin, wie bereits geschrieben, mit der WAZ aufgewachsen, entfremdete mich von ihr – und sie wohl auch von mir, aber so ist das wohl, wenn man nicht miteinander redet – und begann nun am 17. Januar den Selbstversuch „WAZ sollen wir lesen“, indem ich einen lange gehegten Gutschein über ein zweiwöchiges Probeabonnement einlöste. Dies ist mein Rückblick auf den ersten Tag dieses Experiments unter Alltagsbedingungen.

Am Montag, dem 17. Januar, gelang es mir, fast schon unerwartet, die WAZ einfach so en passant auf dem Weg zur Berufsschule aus dem Briefkasten zu ziehen – etwas, was mir am darauffolgenden Dienstag misslingen sollte, weswegen ich wegen meines Dranges nach Zeitung meine ursprünglich geplante U-Bahn verpasste – doch ich sollte noch bis in der U-Bahn warten müssen (die Dunkelheit der Nacht in den Straßen, you know?), bis ich einen detaillierteren Blick in die WAZ werfen können durfte.

„Vater Hübner ist zurück“, der optischer Aufmacher, stieß mich erst einmal ab. Gut, ich erkannte die WAZ wieder, der seltsam ockerfarbige Rahmen um das Aufmacherbild kam mir vertraut vor, doch interessierte mich – nennt mich meinetwegen herzlos – die Geschichte eines aus den Wirren Tunesiens zurückgekehrten Touristen recht wenig. Dass ebenjene Wirren dann auch Tagesthema waren und einen anderen Schwerpunkt legten, rettete das Ganze und dass meine Augen auf Seite 2 einen Sakurai sehen durften, war der erste Höhepunkt an diesem Montagmorgen. Zeit also, um in das nächste kleine Loch zu fallen: Am Ende des Kommentars „Das Wunder von Tunis“ (auch zum Sturz des dortigen Herrschers) stand in fetten Lettern, eingeleitet mit dem Wort „Fazit“ ein ebensolches, welches nur besagte, dass der Sturz des Herrschers ein Wunder war und die Diktatoren der Nachbarstaaten ähnliches fürchten. Ach!

Eine sechszeilige Kürzestzusammenfassung für die berufstätige Bevölkerung, die keine Zeit mehr für einen ganzen Kommentar hat? Das hätte nun nicht wirklich sein müssen. Will ich Redundanz, dann besorge ich mir ein zweites Exemplar! Um mal ein Klischee zu bedienen: Das wäre eher was für eine Tabloid-WAZ, sagt man Tabloid-Zeitungen doch eh ein niedrigeres Anspruchsniveau nach.

Im Großen und Ganzen hatte es die Montags-WAZ ziemlich schwer: Das meiste war schon nichts Neues mehr, musste sie doch auch Ereignisse aufbereiten, die sich am Samstag zugetragen hatten. Auf einen neueren Stand als am Sonntagabend fühlte ich, der ich täglich viel online lese, nicht versetzt. Immerhin gab es dann doch ein paar Artikel, die ich noch nicht online gelesen hatte, einen Bericht über Sexualkunde in der Grundschule, einen Bericht über und mit Volker Kauder und einen europäisierten Islam und nicht zuletzt ein Bericht von David Schraven, dem ehemaligen Ruhrbarone-Redakteur, über die Mauschelei bei den Verträgen für den Schienenpersonennahverkehr (zu deutsch: die Nahverkehrszüge) im VRR. Das waren die Neuigkeiten, auf die ich gehofft hatte.

Exkurs: RSS-Feeds und Zeitungsportale

Es gibt im Internet eine viel zu oft übersehene und ungenutzte kleine Nettigkeit: denRSS-Feed. Er ermöglicht, vereinfacht gesagt, das Abonnement der Inhalte einer Website mit einem Klick. In einem Feedreader, einer Anwendung, die dieses Dateiformat lesen kann, bekommt man dann immer, wenn ein neuer Beitrag erscheint, diesen angezeigt. Einfacher kommt man an kein Zeitungsabo. Man kann lesen oder es auch sein lassen und alles ungelesen verwerfen, und wenn es nicht mehr gefällt, wird das Abo per Klick auch wieder beendet, ohne dass es irgendwelche Kündigungsfristen gibt.
Viele Websites, gerade solche, die, wie meine, auf eine Weblog-Software setzen, bieten diesen RSS-Feed an, und so ist es letztlich möglich, einen relativ guten überblick über eine durchaus große Anzahl an Websites zu behalten, die nach Gusto zusammengestellt werden können. Es hat etwas von einer individuellen Tageszeitung, vielleicht ohne Sportteil, dafür vielleicht mit viel mehr Politik, mit vielen widerstrebenden Meinungen – mit ein wenig Aufwand am Anfang und Mut zum Ausprobieren kann man schnell eine große Bandbreite an unterschiedlichen Standpunkten zu den Ereignissen der Zeit entdecken, als läse man mehrere Zeitungen.
Neben vielen kleineren Blogs hatte ich eine zeitlang auch die Newsfeeds großer Tageszeitungen abonniert, doch schon weil der Newsfeed von DerWesten mich mit zu vielen Meldungen bombardiert hatte, war er vor geraumer Zeit mit den Feeds von taz und Spiegel aus meinem Feedreader geflogen, die keinen Deut besser waren. Sie zusammen konnten die Anzahl ungelesener Artikel binnen Stunden in unermessliche Höhen treiben, und das war dann doch ein psychischer Druck, auf den ich gut verzichten konnte. DerWesten, taz.de, SüddeutscheZeitFrankfurter Rundschautagesschau, diese und ähnliche Seiten suche ich lieber bei Gelegenheit selbst auf, wenn ich die Zeit und Muße habe, mich dort festzulesen, aber dennoch täglich.
Exkurs Ende.

Und sonst? Irgendwie gab es nicht viel, was mir sonst noch auffiel, was mich störte, reizte oder interessierte. Irgendwie schade. Es sollten noch weitere Tage folgen, doch davon mehr in dem nächsten Post.

Die Serie WAZ sollen wir lesen erscheint ab sofort auch auf “Was mit Medien”, nachdem Hendryk die Texte bereits in seinem Blog veröffentlichte, so auch diesen Teil 1.

Tipp: Uns gibt es auch als RSS-Feed in verschiedenen Geschmacksrichtungen. Hier gibt es unsere Texte aus dem Blog und hier gibt es unseren wöchentlichen Podcast.

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