Richard Gutjahr ist zurück. Am vergangenen Wochenende hat sich der freie Journalist und Blogger auf gemacht, um auf eigene Faust aus Kairo zu berichten. Er hat seine Leser per Twitter, Blog und Flickr informiert. Wir haben in Was mit Medien 242 direkt nach seiner Rückkehr mit ihm über seine Reise gesprochen – über seine gewonnen Einsichten, aber auch über seine Kritiker. Wir haben das Interview an dieser Stelle transkribiert.
Daniel Fiene: Lass uns erst einmal über das reden, was du in Kairo erlebt hast. Du hast viel Zeit auf dem Tahrir-Platz verbracht. Was war das für eine Atmosphäre, die du dort erlebt hast?
Richard Gutjahr: Also, wie ich auch in dem Blog beschrieben habe: Am Anfang wusste ich ja gar nicht, was mich erwartet. Ich habe mich mit den Fixpunkten der Stadt vertraut gemacht, wo die besten Fluchtwege sind, im Fall, dass was schief geht, wie ich am schnellsten zur deutschen Botschaft durchkomme, und und und. Wenn man dann aber auf diese Stadt zufährt, vom Flughafen aus – wir konnten das erst am frühen Morgen des nächsten Tages tun, wegen der Sperrzeit – eröffnet sich einem so ein bisschen ein Endzeitstimmungsbild. Links und rechts sind die Straßen verbarrikadiert, von Bürgerwehren, die dort versuchen, die Banden abzuhalten, die die ganzen Straßenzüge leer plündern. Panzer säumen den Weg, links und rechts, stehen da mitten auf der Straße, sodass man einen Bogen drumherum fahren muss. Und je näher man der Stadt kommt, desto größer wird das Bild der Verwüstung. Steine, Betonpfähle liegen auf der Fahrbahn, und irgendwann kann man dann auch nicht mehr mit dem Auto weiter, und dann muss man zu Fuß gehen. Und ja, das hatte schon kriegsähnliche Ausmaße.
Daniel Fiene: Aber trotzdem fand ich es dann überraschend in deinen Blogberichten zu erfahren, dass die Stimmung auf dem Platz zunächst sehr ausgelassen war.
Ja, das war für mich auch eine Überraschung. Ich dachte, „Mein Gott, worauf hast du dich da eingelassen?“, als ich auf dem Weg zu diesem Platz war. Am Platz selber erlebte ich dann eine komplett andere Stimmung, eine sehr losgelöste, hoffnungsvolle und optimistische Stimmung der Leute. Die Leute haben geklatscht, haben gejubelt, haben Plakate, Poster und Pappschilder vor sich getragen, haben sich auch ohne Probleme damit fotografieren lassen, und sie haben sich auch gegenseitig fotografiert mit Handykameras. Es war eine völlig andere Atmosphäre als auf dem Weg in die Stadt hinein, und das hielt auch noch eine ganze Weile an. Ich habe dann auch die Nächte auf dem Platz verbracht, als ich gemerkt habe: Ja, das geht, das ist keine Gefahr, dort sind so viele Menschen, die auch nichts Böses wollen, die passen auch ein bisschen gegenseitig auf sich auf. Und so ging das die ersten zwei Nächte auch wunderbar.
Daniel Fiene: Was war denn der Punkt, an dem du gesagt hast: „Ich muss jetzt das Land wieder ganz schnell verlassen.“?
Das begann eigentlich schon am Abend vorher, und zwar um 23 Uhr Ortszeit, als die Ansprache von Mubarak übertragen worden ist, auf eine Art improvisiertes Freilichtkino. Ich habe über Twitter mitbekommen, dass das heute journal und deutsche Medien generell Jubel vermeldet haben auf diesem Platz. Und ich stand da so ein bisschen verdutzt rum, auch zusammen mit ein paar anderen Journalistenkollegen, und wir schauten uns gegenseitig an: „Jubel? Das kann nicht sein. Stehen wir da in der falschen Fankurve, in den falschen 500.000 Menschen?“ Wir haben das überhaupt nicht so empfunden, ganz im Gegenteil: Wir spürten plötzlich, wie die Stimmung umschlug, und sich erst einmal Ratlosigkeit sich breit machte, danach auch Zorn und Wut. Und das war der Moment, wo ich wusste: Jetzt passiert was.
Daniel Fiene: Jetzt bist du wieder zurück in Deutschland. Wie würdest du jetzt die Lage anhand deiner frischen Eindrücke in Ägypten beschreiben?
Das ist wahnsinnig schwer. Ich bin eine Viertelstunde vor der neuen Nachtruhe dort, vor Beginn der Ausgangssperre, zum Flughafen raus geflohen. Man kann es nicht anders sagen, denn danach werden die Straßen dicht gemacht, und dann muss man weitere zwölf, vierzehn, sechzehn Stunden in der Stadt bleiben, bis es wieder hell wird. So ist es mir also irgendwie noch gelungen, da rauszukommen. Als ich am Flughafen saß – wo es übrigens freies WLAN gab! Ich habe gedacht „Ich spinne!“, und zwar wirklich richtig schnelles WLAN! – dann bin ich ins Netz gegangen und alles live im Netz verfolgt: die Bilder, wo ich selber vor einer halben Stunde noch gestanden hatte. Ich konnte es nicht fassen. Die ganzen Ecken, die ganzen Häuser und die ganzen Straßen habe ich wiedererkannt, und auf einmal flogen da die Steine und ich hatte – das klingt pathetisch, da kann mich jetzt auch wieder jemand als Selbstdarsteller kritisieren – echt die Tränen in den Augen. Ich hatte auch wenig geschlafen, das kommt noch dazu, und ich war überanstrengt, und so weiter. Aber, ich war richtig fertig, als ich das gesehen habe. Denn ich wusste, dass ich noch vor einer halben oder dreiviertel Stunde da mit Familien gesprochen hatte, die nicht so einfach abhauen konnten wie ich. Die waren jetzt noch alle da, und wer weiß, was aus diesen Menschen wird.
Herr Pähler: Dann lass uns doch jetzt noch einmal einen Schritt auf die Meta-Ebene gehen. Am letzten Wochenende, da gab es durchaus Kritik, zum Beispiel an Sendern wie N24 oder n-tv, die irgendwie doch nur ihre Standard-Dokus gezeigt haben, und auch ARD und ZDF haben einigen nicht schnell genug reagiert mit ihrer Berichterstattung. War das der Grund, oder gab es einen anderen, dass du gesagt hast: „Ich gehe ohne einen Auftrag eines Senders nach Kairo und berichte dort für mein eigenes Blog.“?
Man muss sich das so vorstellen: Am Freitag habe ich quasi den ganzen Tag vor dem Bildschirm geklebt und Al-Jazeera geguckt. Und ich war fasziniert – also jetzt als Journalist gesprochen, als Medienmensch – was die da alles auf die Beine gestellt haben. Al-Jazeera hatte sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert in den Tagen zuvor, weder in Tunesien, noch in Ägypten. Aber seit Freitag haben die da ein richtig gutes Programm gemacht, und zwar wirklich von früh bis spät. Dann wurde das Internet abgeschaltet, dann wurden die Handynetze abgeschaltet, und dann am Samstag und am Sonntag Al-Jazeera. Und das war dann der Moment, wo ich gesagt habe: „Hey, ich bin ja eigentlich um die Ecke, also hundert Kilometer Luftlinie bis zur Grenze, jetzt fährst du entweder mit dem Auto runter und dort über die Grenze, oder schaust irgendwie, dass du sonst nach Ägypten kommst.“ Ich habe dann ein paar Anrufe gemacht und mich auch mit ein paar Kollegen vor Ort, also in Kairo, abgestimmt und mir Tipps eingeholt, wie man sich da am besten bewegt, was ich mitnehmen muss. Tja, und ein paar Stunden später saß ich dann im Flieger.
Herr Pähler: Du warst in Israel, das muss man vielleicht noch kurz dazusagen, für alle, die das nicht wissen. Aber noch einmal zur Art und Weise, wie du dort berichten und bloggen konntest: Wie frei hast du dich da in deiner Berichterstattung gefühlt?
Am Anfang erst gar nicht, und dann besser. Es fing erst einmal so an, dass ich durch diese Trümmerfelder gegangen bin, vom Taxi bis zum Platz, wo man zu Fuß gehen musste. Da ist mir gleich, nach der zweiten Straßensperre glaube ich, meine Kamera abgenommen worden. Die schien einem Soldaten anscheinend gut gefallen zu haben. Ich war auch ein bisschen blöd, dass ich die in der Hand behalten habe. Aber ich wollte die Dinge, die ich dort gesehen habe, natürlich auch festhalten, und habe immer so aus der Hüfte heraus fotografiert. Man hat mich dabei beobachtet, kam auf mich zu, hat mir die Kamera weggenommen und mich verscheucht. Ich habe noch ein bisschen da gestanden und geguckt, ob man mit dem reden kann, aber der bedeutete mir dann doch, dass ich weiter gehen soll. Da hatte ich erstmal das Gefühl: „Oh, hier geht ja gar nichts.“ Also, nur ins Hotel und verschanzen. Nach und nach habe ich dann so ein bisschen die Lage sondiert und habe gemerkt, dass die Menschen rund um den Platz eigentlich alles Regimegegner waren und dass von denen keine Gefahr ausging gegenüber Journalisten. Auch jedes Mal, wenn ich meinen Reisepass gezeigt habe – den die Straßensperren an den Straßenzugängen sehen wollten – und dann gesehen wurde, dass ich Deutscher bin, war das eigentlich kein Problem mehr.
Herr Pähler: Da möchte ich vielleicht noch einmal direkt anschließen: Du bist Deutscher und du bist und warst nicht der einzige deutsche Journalist dort vor Ort. Wurdest du denn anders wahrgenommen von den Ägyptern dort vor Ort als die Kollegen die, ich sage jetzt mal, mit einem großen Reuters– oder dpa-Schild dort rumrennen und quasi wirklich mit einem offiziellen Auftrag da waren?
Ja, das war interessant, denn das war negativ, und zwar in beide Richtungen. Diejenigen, die keine Probleme damit hatten, dass gefilmt wurde, die haben sich sofort rund um diese Kameracrew aufgebaut und haben in die Kamera gebrüllt, haben irgendwie demonstrative Posen gerissen und dort also eigentlich ein völliges Zerrbild geliefert von dem, was wirklich los war. Deswegen kommt das im Fernsehen auch oft immer so aggressiv rüber. Denn, wenn die eine Kamera sehen, dann strömen die sofort drauf zu und ziehen da ihre Show ab. Und umgekehrt, wenn man also quasi Gegner von diesen Berichterstattungen traf, dann war das auch schlecht. Denn dann bist du natürlich mit deinem Zwei- oder Drei-Mann-Team und deinem Übersetzer im Schlepptau auch sofort aufgefallen, von denen sofort angegangen, attackiert und behindert worden. Ich habe ein Video gesehen von Anderson Cooper [Anm. d. Red.: Hauptberichterstatter für den US-Sender CNN in Kairo, der Opfer eines Angriffs von Pro-Mubarak-Demonstranten wurde]: Das wundert mich nicht, dass der da verdroschen worden ist, weil der da natürlich mit drei, vier, fünf Mann einfach auffällt.
Daniel Fiene: Es gab, noch einmal in Deutschland geblieben, auch Kritik an deinem Vorgehen. Da müssen wir auch noch einmal kurz drüber sprechen. Einige haben dich als Selbstdarsteller beschimpft. Du wurdest ja auch zum Beispiel als erster iPad-Kunde von Apple in New York bekannt, hast geschrieben, dass du eigentlich in dieser Woche zur The Daily-Vorstellung wolltest. Das klingt ja auf den ersten Blick nach Rampenlicht. Bist du ein Selbstdarsteller?
Ja! Ja, natürlich bin ich ein Selbstdarsteller. Wir alle, die wir uns in Medien bewegen sind irgendwo Selbstdarsteller. Nur einmal Hand aufs Herz: Wer ein Blog macht, oder wer in die Medien geht, der will doch auch – selbst wenn du eine Edelfeder bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bist – dann willst du doch, dass deine tollen Formulierungen gesehen, gelesen und auch honoriert werden. Ja, ich stehe dazu. Natürlich will ich, dass das, was ich zu erzählen habe, auch gelesen und gesehen wird. Gut, die Vergleiche hinken natürlich, iPad und Ägypten, das sind zwei verschiedene Geschichten – aber das sind Geschichten! Und ich glaube, selbst meine größten Kritiker werden nicht abstreiten, dass das iPad eine Geschichte wert war. Und dass Ägypten wichtig und wichtiger als jedes iPad ist, das müssen wir hoffentlich auch nicht diskutieren. Ich bin Journalist. Das ist das, was ich mache. Ich erzähle Geschichten. Und ich versuche das so gut wie möglich zu machen und so ehrlich wie möglich. Deswegen schreibe ich dann auch ab und zu mal in der Ich-Perspektive, damit die Leute nicht den falschen Eindruck kriegen, dass ich der allwissende Erzähler bin. Das bin ich eben nicht, sondern ich kann immer nur das berichten, was ich auch mit meinen eigenen Augen gesehen habe.
Daniel Fiene: Jetzt könnte man das natürlich aber auch als naiv wahrnehmen, dass man sagt: „Man kann doch nicht einfach so in ein Krisengebiet reingehen.“ Was viele nicht sofort wissen ist, dass du auch Erfahrung mit Krisenberichterstattung hast. Wie sieht die aus?
Ja, ich bin sehr stolz, ich habe neulich eine Dokumentation von einem lieben, alten Kollegen, Christoph Lütgert, gesehen. Das war diese Maschmeyer-Reportage im Ersten. Und Christoph Lütgert und ich waren die ersten, die für die ARD einen Trainingskurs für Journalisten in Krisen- und Kriegsgebieten absolviert haben. Man muss sich das so vorstellen: Nach dem Kosovo-Krieg kam schnell Kritik auf, dass viele Journalisten zu ungestüm in diese Krisengebiete gereist sind, und da nicht richtig vorbereitet waren. Deswegen hat die ARD eigens Trainingseinheiten und Module ins Leben gerufen, um Reporter auszubilden, wie sie sich in Krisensituationen und in Notsituationen zu verhalten haben, wie sie Gefahren erkennen und denen auch rechtzeitig aus dem Weg gehen können. Da war ich mit im ersten Lehrgang, und habe auch sehr davon profitiert.
Herr Pähler: Du hast vorhin gesagt, du bist Journalist, und deswegen bist du auch dorthin gegangen, weil du von dort aus objektiv berichten wolltest. Journalisten gehen meistens aber auch nur dorthin, wo sie etwas dafür bekommen – oft auch eben Geld – dass sie berichten. Jetzt bist du aber ohne Auftrag dahin gegangen. Kannst du vielleicht noch einmal erläutern, oder die Frage beantworten: Lohnt sich so ein Trip dann auch finanziell, oder – wenn man nicht von Lohn spricht – sind wenigstens die Kosten gedeckt? Du hast ja, wir haben es eingangs gesagt, um Spenden gebeten, Stichwort hohe Roaming-Gebühren. Waren die denn tatsächlich so hoch?
Ja, also, man muss sich das so vorstellen: Ich hatte zwei Handys, ein deutsches und ein israelisches. Nur eines davon war überhaupt freigeschaltet, um zu tethern [Anm. d. Red.: das Surfen im Web über die Verbindung des Mobiltelefons]. Ich hatte im Grunde genommen dort nur noch die Möglichkeit, mit meinem israelischen Handy zu tethern, also Roaming zu betreiben, um damit ins Netz zu gehen. Andere Möglichkeiten fürs Internet gab es in dieser Sekunde oder in diesen Tagen einfach nicht. Natürlich sagt man jetzt:„Mein Gott, dann kauf dir halt irgendwie eine Karte dort vor Ort.“ Nur da muss man abwägen: Will ich die wenige Zeit zwischen 8 Uhr morgens, dem Ende der Ausgangssperre, bis 15 Uhr nachmittags damit verbringen, um irgendwie dort einen Mediamarkt zu finden und mir das passende technische Equipment – vielleicht sogar einen Satelliten-Link – zu kaufen? Oder beißt du in den sauren Apfel, nimmst das Gerät, was du einfach am Mann hast, wie es so schön heißt, und versuchst damit zu arbeiten. Ich habe mich dann für letzteres entschieden, wohlwissend, dass das finanziell wahrscheinlich ein Desaster werden könnte. Aber das Finanzielle interessiert in so einer Situation einfach nicht. Mein Gott, irgendwie wird das dann nachher schon hinhauen. Notfalls kannst du ja vielleicht auch mal mit der Telefongesellschaft reden und sagen: „Hört zu, könnt ihr mir einen Teil davon erlassen“, oder so, ich weiß es nicht.
Herr Pähler: Jetzt wollen wir da auch gar nicht weiter nachhaken, und konkret nach Zahlen nachfragen. Wir wollen keine Kontoauszüge von dir sehen.
Die habe ich auch noch nicht …
Herr Pähler: Aber trotzdem noch einmal: Hast du das Gefühl, so ein Spendenaufruf hat funktioniert? Ist es denn Lesern auch etwas wert, deine Inhalte zu lesen?
Also, ich habe ja immer die ganzen Kommentare freigeschaltet, so zwischen zwei Einsätzen dort, und habe die quer gelesen. Und ich habe schon mitbekommen: Da ist viel gespendet worden, und auch von vielen Leuten. Wie viel es in der Gesamtsumme ist, das interessiert mich jetzt ehrlich gesagt noch nicht, ich bin gerade erst gelandet. Aber das hat mich schon umgehauen. Vor allem, was mich auch umgehauen hat: Es waren ja auch viele Leute, die gesagt haben: „Wir sind jetzt nicht bei Flattr, oder so, schick uns doch deine Kontonummer.“ Das ist wirklich nicht auf meinem Mist gewachsen! Das war den Menschen offensichtlich auch ein Bedürfnis. Ganz ehrlich: Ich hab es natürlich auch gerne angenommen, wohlwissend, dass meine Kosten – ich würde jetzt mal schätzen, was ich da reingesteckt habe – bestimmt über fünf oder sechs tausend Euro liegen.
Herr Pähler: Jetzt gibt es bestimmt den ein oder anderen, der sagt: „Hm, die Motive, die der Richard Gutjahr da an den Tag gelegt hat, die habe ich auch. Fünf tausend, sechs tausend Euro, die lege ich auch noch hin. Ein Blog habe ich auch, ich fahre mal auch da nach Kairo, das ist doch eine gute Sache.“ Würdest du das denn empfehlen?
Ein bisschen rhetorisch, die Frage: Nein, natürlich nicht. Man muss sich über zwei Dinge klar sein. Erstens: Ich wusste da sehr genau, was ich tue. Ich wusste, wie ich reinkomme, ich wusste auch, wie ich rauskomme. Es war also, weiß Gott, nicht so, dass ich da blauäugig mal zum Flughafen gefahren bin, und gesagt habe: „Hey, habt ihr noch ein Ticket?“, oder so. Ich habe mich rückversichert und ich hatte quasi im Sechs-Stunden-Rhythmus Zugriff auf einen Flug nach außen. Ich habe mich abgesichert mit Botschaft, mit Kollegen vor Ort. Also, so einfach ist es dann nicht, wie es nachher in meinem Blog rübergekommen ist. Ich habe das, was ich gelernt habe, eingesetzt, und es hat mir auch geholfen. Wenn man das jetzt einfach mal so als Urlaub oder so machen will, dann würde ich doch eher Bauchschmerzen kriegen und sagen: „Nee, lass’ mal.“
Daniel Fiene: Was hast du für dich persönlich als Journalist in dieser Geschichte gelernt?
Ich habe gelernt, nun ja, dass die Zukunft in der Vergangenheit liegt. Das klingt jetzt auch blöd und sehr geschwollen, aber: Ich habe gelernt, dass wir eigentlich wieder zurückkehren müssen zu dem, was Reporter ursprünglich mal gemacht haben – nämlich auf die Straße zu gehen und auch gar nicht auf die Uhr zu schauen, sich einfach wirklich mit echten Menschen zu unterhalten, und nicht mit Pressestellen oder mit den Hoffers dieser Welt, die dann immer schöne Pressemappen mitbringen und da noch schöne Grafiken einbauen. Man muss sich wirklich wieder mehr um die Leute selber kümmern, und nicht aus zweiter oder dritter Hand Informationen abgreifen. Das war so mein Ding, und das hat mir ehrlich gesagt im Vorfeld dieser ganzen Berichterstattung ein bisschen gefehlt. Da fehlte etwas, da war irgendwo ein Vakuum in der Berichterstattung. Und ich glaube, da müssen wir wieder mehr hin. Die neuen Techniken helfen uns dabei, denn ich kann tatsächlich vom Platz aus selber ein Foto hochladen, meinetwegen auch ein Video. Wenn es Internet gegeben hätte, dann hätte ich auch sehr viel mehr Videos gemacht. Ich habe mich nur entschieden: Okay, in dieser Situation macht das keinen Zweck mit Video zu arbeiten, beschränke dich auf Fotos, das kostet schon genug die hochzuladen. Also, du musst mehr improvisieren. Die neuen Techniken helfen dir, dabei besser, individueller auf die jeweilige Situation zugeschnitten zu arbeiten – und zwar auch direkter, nicht so indirekt, zehn Kilometer entfernt von irgendeinem Sendegebäude aus.
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