/

Töne, Texte, Bilder: Was bei “Wetten, dass..?” Backstage passierte.

Am 12. Februar soll in Halle die nächste “Wetten, dass..?”-Sendung stattfinden. Das hat ZDF-Intendant Markus Schächter am Freitag im Umfeld der Verwaltungsratsitzung bekannt gegeben. Es soll auch eine Task Force geben. Interne und externe Fachleute werden den Unfall aus der vergangenen Woche genau unter die Lupe nehmen. Unterdessen hält das ZDF engen Kontakt zur Familie des verletzten Wettkandidaten und der Vater wird am Sonntagabend in einem Interview in der Gottschalk-Sendung “Menschen 2010” zu sehen sein. Innerhalb von wenigen Tagen hat sich somit die “Wetten, dass..?”-Welt um 180-Grad gedreht. Die Leichtigkeit ist im 30. Jahr abhanden gekommen. Aber: Die Diskussion um Quoten und Sicherheit war völlig übertrieben. Warum, das erklärt Daniel Fiene in der Schriftfassung des Radiobeitrags für die WDR-5-Sendung Töne, Texte, Bilder vom 11. Dezember. Daniel war vor einer Woche der Halle dabei, als Thomas Gottschalk mit dem Saalpublikum über den Abbruch der Sendung beriet, als die TV-Zuschauer noch Musikvideos sahen.

Thomas Gottschalk: „Wir können nicht eine Stunde unterbrechen, und dann da weiter machen, wo wir waren. Ich weigere mich irgendetwas zu machen, bevor die Untersuchung abgeschlossen ist.“ (Applaus)

So klang es, als Thomas Gottschalk die 192. „Wetten, dass..?“-Sendung abbrach. Es folgte eine öffentliche Grundsatzdiskussion: Hat „Wetten, dass..?“ zu gefährliche Wetten ausgesucht, um die Quote zu steigern? War die private Konkurrenz wichtiger, als die Sicherheit der eigenen Wett-Kandidaten? Wer einen Blick hinter die Kulissen von „Wetten, dass..?“ wirft, der wird vom Gegenteil überzeugt.

Der Mittwoch vor der Show. ZDF-Sprecher Peter Gruhne führt Journalisten durch die Messehalle in Düsseldorf. Der Aufbau ist bereits so gut wie abgeschlossen.

Peter  Gruhne: „Sie haben eine Vorbereitungszeit von zehn Tagen. Die meisten Leute sagen, das ist aber klein, das habe ich mir größer vorgestellt, weil in der Tat im Fernsehen immer alles größer aussieht.“

2.000 Quadratemeter Bühnenboden ist aufgebaut worden. 250 Mitarbeiter kümmern sich vor Ort um „Wetten, dass..?“. Seit der letzten Sendung hat die Redaktion 1.500 Wettvorschläge gesichtet. Ein reibungsloser Ablauf wird durch Routine möglich, so Michael Doneker, verantwortlicher Kameramann und Lichtgestalter – er ist seit 15 Jahren mit an Board.

Michael Doneker: „Wir kommen hier mit unserer vorgesehenen Arbeitszeit aus. Weil wir ein eingespieltes Team sind. Es ist sehr viel Arbeit in kurzer Zeit zu bewältigen. Aber dank eines sehr eingespielten Teams kommen wir mit einem normalen 10-Stunden-Tag über die Runden.“

Einen Tag später hält Thomas Gottschalk eine Pressekonferenz, während die Kandidaten ihre Wetten schon proben können. Gottschalk wird wieder auf die Quoten-Konkurrenz bei RTL angesprochen – wiegelt aber im Gegensatz zur Vergangenheit ab.

Thomas Gottschalk: „Ich begebe mich auf keinen Fall mehr in die Falle den Kollegen Bohlen zu beschimpfen.“

Gottschalk weiß, dass die Kurve nach unten geht – aber das tue die Auflagenkurve vieler Zeitungen ja auch.

Thomas Gottschalk: „Es geht überall runter. Selbst im Hause DuMont. Das ist ein Schicksal, dass wir alle teilen. Wir hatten alle schon mal bessere Zeiten.

Quotendruck sieht anders aus. Gottschalk zeigt sich vor der Sendung selbstbewusst: Überzeugt von seinen Wetten, seiner Gästeliste und für das, wofür „Wetten, dass..?“ nach wie vor steht.  Erstens: Kreative Wetten mit normalen Leuten …

Thomas Gottschalk: „Zweitens lege ich großen Wert darauf, dass bei mir ein 16jähriger Justin Bieber mit einem 82-jährigen Hardy Krüger zusammenkommt.“

„Wetten, dass..?“ versteht sich also weiter als große Familienshow.

Thomas Gottschalk: „Ich habe ja über 20 Jahre hinweg einen unglaublichen Komfort gehabt. Der Rest der Fernsehwelt hat die weiße Fahne geschwenkt, wenn ich gesendet habe. Damit habe ich viel Energie gespart. Die kann ich jetzt einsetzen. Das tue ich auch gerne.“

Viel Energie verwendet das „Wetten, dass..?“-Team auch auf die Wettauswahl. Am Freitagabend wird nach der Generalprobe entschieden eine Pferdewette zu streichen – auch wenn schon ein großer Aufwand für den Aufbau betrieben wurde. Thomas Gottschalk erklärt, dass die Wetten nicht nach dem Motto höher, schneller und weiter ausgesucht werden.

Thomas Gottschalk: „Wenn bei den Kollegen von RTL einer mit der Silvesterrakete im Arsch durch die Gegend läuft, dann sage ich: Kann man, darf man, soll man so etwas machen? Und darf ich und sollte ich so etwas auch machen? Ich komme dann zu dem Ergebnis: Eher nicht. (..) Dann sage ich: Also gut, ich gehe so weit es geht. Ich stecke meinem Kandidaten vielleicht einen Feuerwerkskörper in den Hintern – aber ich zünde den nicht an.”

So konnte der verunglückte Kandidat Samuel seine Wette bereits im Umfeld der vorigen beiden Sendungen üben – damit er sich an die Studiosituation gewöhnen konnte. Das ZDF hat vor Ort die Sicherheitsvorkehrungen noch einmal verstärkt. Es blieb das Restrisiko einer akrobatischen Wette.

Mit all dem Aufwand, die in eine „Wetten, dass..?“-Sendung gesteckt wird, im Hinterkopf und mit der Gewissheit, dass es in den vergangenen 191 Ausgaben keine größeren Unfälle gab, konnte Thomas Gottschalk selbstsicher zur Sendung begrüßen. Vielleicht gelang es ihm auch gerade deswegen nach dem Unfall, in einer Situation in der man viel falsch machen kann, viel richtig zu machen.

Unterdessen hat sich der ZDF-Fernsehrat mit dem Unfall befasst. Laut Intendant Markus Schächter sollen interne und externe Fachleuten die Umstände überprüfen und Vorschläge machen, wie die Sicherheit weiter verbessert werden kann. Auch stünde das ZDF im intensiven Kontakt mit dem Familie des Kandidaten. Am 12. Februar soll die nächste “Wetten, dass..?” Sendung stattfinden – auch wenn man dann nicht normal zur Tagesordnung übergehen könne, so Schächter. Letztendlich sind noch viele Fragen offen.

Als Thomas Gottschalk am vegangenen Samstag sein  Saalpublikum nach Hause schickte, machte er trotzdem eine gute Miene zum bösen Spiel.

Thomas Gottschalk: „Ich weiß nicht wie teuer Ihre Karten waren. Ich habe nichts bezahlt. Insofern weiß ich nicht, ob da jetzt irgendwelche Ersatzansprüche bestehen. Ich entlasse Sie jetzt einfach ratlos. Sie sind ratlos. Ich bin ratlos. Traurig sind wir alle. Tut mir leid. Dankeschön.“

***

Dieser Beitrag lief am 11. Dezember 2010 im WDR 5 Medienmagazin Töne, Texte, Bilder. Hier geht es zur Sendungsseite und der Podcast ist auf dieser Webseite abzurufen. Das WDR 5 Medienmagazin Töne, Texte, Bilder ist an jedem Samstag von 15:05 – 15:35 Uhr zu hören. Links: Sender – Sendungsseite – Frequenzen– Livestream – Podcast.

Tipp: Uns gibt es auch als RSS-Feed in verschiedenen Geschmacksrichtungen. Hier gibt es unsere Texte aus dem Blog und hier gibt es unseren wöchentlichen Podcast.

Voriger Artikel

Das ZDF, die Quotendebatte und Doppelmoral: Warum sich “Wetten, dass..?” neu erfinden muß

Nächster Artikel

Folge 236

0 0,00