Während der verunglückte Kandidat weiter in einem künstlichen Koma liegt, fordern Politiker eine Grundsatzdebatte über “Wetten, dass..?” und Printjournalisten sehen sogar wegen eines Quotendrucks “die Rolle von ARD und ZDF deformiert”. Dabei wird vergessen, dass Sport und artistische Spiele im Fernsehen immer ein Risiko mit sich bringen.
Von Daniel Fiene, der die Sendung hinter den Kulissen beobachtete.
Dass der Abbruch ein riesiges öffentliches Echo mit sich bringen wird, war schon am Abend in der Düsseldorfer Messehalle 6 zu spüren. Über den Kurznachrichten-Dienst Twitter verbreitete sich ein Interview mit dem verletzten Wettkandidaten, in dem er seiner Heimatzeitung verriet, dass er bereits Proben “schwer stürzte.” Auch als die Sendung längst abgesagt wurde, blieben viele Zuschauer in der Halle, um etwas über den Gesundheitszustand des Kandidaten zu erfahren. Obwohl dessen endgültiger Gesundheitszustand am Sonntag noch nicht geklärt war, gab es bereits den Vorwurf, das ZDF würde wegen des Quotendrucks zu risikofreudig die Wetten auswählen.
ZDF kündigt Konsequenzen für “Wetten, dass..?” an
ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut hat unterdessen angekündigt, den Unfall genau aufzuklären. “Ich will jedes Detail kennen”, läßt er sich zitieren. Dann könne über Veränderungen an dem Format nachgedacht werden. “Da müssen wir eben für die Kandidaten einen noch höheren Sicherheitsstandard schaffen. Ich halte das für machbar.”
Thomas Gottschalk hat in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung den Quotendruck von sich gewiesen: “Wir hatten immer schon riskante Wetten, ob mit Motorrädern oder auf Skisprungschanzen.” Er sei in seinem Team dafür bekannt, dass er aus den Wetten unnötigen Druck herausnehme. Bereits vor der 192. “Wetten, dass..?”-Ausgabe machte Thomas Gottschalk den Eindruck, als habe er mit der Konkurrenzdiskussion abgeschlossen. Während er bei den vergangenen “Wetten, dass..?”-Ausgaben sogar in seinen Sendungen den einen oder anderen Seitenhieb auf die Konkurrenz verteilte, signalisierte Gottschalk im Vorfeld dieser Sendung, dass er mit der Situation Frieden geschlossen habe. Er würde sich inzwischen wieder selbst auf die Wetten vorbereiten und habe zudem eine starke Gästeliste.
Die Doppelmoral der Kritiker
Genau die Verlage, die sich in der Vergangenheit intensiv den Quotendruck zwischen Thomas Gottschalk und der privaten Konkurrenz beschäftigt herbei schrieben, üben jetzt starke Kritik und zeigen ihren Lesern nebenher den Unfallhergang im Detail. Ulf Poschardt, stellvertrender Chefredakteur der Welt am Sonntag, schreibt: “Eine Grundsatzdiskussion über die Rolle von ARD und ZDF (..) ist unausweichlich.”
Die Politik nimmt die Einladung zu dieser Diskussion an. Der ZDF-Verwaltungsratschef und rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) kündigte bei Welt Online an: „Natürlich müssen wir über die Themen sprechen: Wann werden die Grenzen des Verantwortbaren überschritten?” Burkhardt Müller-Sönksen, der medienpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag forderte ZDF-Intendanten Markus Schächter auf: „Schächter sollte vor die Kameras treten und für das ZDF einen Ehrenkodex verkünden, der gefährliche Aktionen in Sendungen wie „Wetten dass..?“ in Zukunft ausschließt.”
Beobachter der Sendung können bescheinigen, dass Schächter dieser Aufforderung nicht nachzukommen braucht, denn ein Ehrenkodex ist bereits vorhanden und der heißt Menschenverstand. Dieser ist beim “Wetten, dass..?”-Team durchaus vorhanden. So ist nach den Proben am Freitagabend eine Pferde-Wette abgesagt worden. Kurzfristig wurde eine Kronkorkenwette eingeplant. Der verunglückte Kandidat hatte bereits im Umfeld der vergangenen beiden Sendungen unter echten Bedingungen im Studio üben können. Auch wenn das ZDF-Team zunächst nach dem Unfall keinen Plan B in der Hand hatte, wußte jeder was zu tun ist. Auch wenn in den letzten 29 Jahren kein größerer Unfall geschehen ist, waren sich alle sportlicher und artistischer Wetten bewusst.
Zum Menschenverstand wird es für das Thomas Gottschalk und sein Team aber auch gehören, den Gesundheitszustand des verunglückten Kandidaten abzuwarten und bei der kommenden Sendung nicht einfach vor die Kameras zu treten und so zu tun, als sei nichts passiert.
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Hörtipp: Zu diesem Thema habe ich außerdem im Inforadio berichtet. Ihr könnt es online nachhören. Auch bei Detektor.fm habe ich über den Samstag gesprochen.