Twitter, Facebook und andere soziale Dienste im Netz versprechen eine schöne neue Kommunikationswelt. Ein Reiz für Journalisten! Aber auch eine Stolperfalle. So ist der MDR-Intendant Udo Reiter am Tag der deutschen Einheit auf seiner Twitterseite mit einem üblen Scherz aufgefallen: “Einheitstag 2030: Bundespräsident Mohammed Mustafa ruft die Muslime auf, die Rechte der deutschen Minderheit zu wahren”, schrieb er. Ein Sturm der Entrüstung brach los und Reiter entschuldigte sich (“Der Tweet war vor einiger Zeit ein gezeichneter Witz in einer deutschen Zeitung. War natürlich als Joke gemeint. Sorry.”) Die Sache ging für Udo Reiter mit reichlich Kritik zu Ende. Für andere Journalisten endeten ähnliche Fälle weniger harmlos . Nicht zum ersten Mal haben langgediente Journalisten ihren Job verloren, da sie ungeschickt im Netz kommunizierten.
(von Daniel Fiene)
Octavia Nasr sitzt im CNN-Studio und berichtet über einen aktuellen Kinofilm, der zwar im Nahen Osten spielt, aber dort nicht zu sehen ist. CNN-Auftritte, wie dieser, gehören für die Journalisten jetzt zur Vergangenheit an. Nach 20 Jahren musste sie ihren Job bei CNN – zu letzt als leitende Nah-Ost-Expertin – abgeben. Der Grund: Eine nicht mal 140 Zeichen lange Nachricht, die Nasr bei dem Web-Dienst Twitter auf ihrer persönlichen Seite veröffentlichte:
„Sad to hear of the passing of Sayyed Mohammad Hussein Fadlallah. One of Hezbollah’s giants I respect a lot“
Sie bekundete in einer Kurznachricht auf ihrem privaten Twitter-Account Sympathien für einen Anhänger der Hisbollah. Das war ihrem Arbeitgeber nicht recht und kündigte der Nah-Ost-Expertin.
Das ist aber nicht der erste Fall, bei dem ein Journalist über vermeintlich private Äußerungen im Netz stürzte. Erst kürzlich musste der Washington-Post-Blogger Dave Weigel gehen, da er in einer Kollegen-Mailingliste über konservative Politiker gelästert haben soll. Soziale Netzwerke als Stolperfalle – das gilt nicht nur für Journalisten, wie der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar feststellt.
„Soziale Netzwerke gehören heute dazu. Außerdem muss man sagen, dass es diese neuen Netzwerke ermöglichen, über andere zu sprechen. Das heißt, der Klatsch den man in der Kaffeerunde am Arbeitsplatz über andere austauscht, findet auch in solchen Netzwerken Niederschlag.“ (Peter Schaar)
Aber ist es nicht vielleicht positiv, wenn an den Äußerungen von Journalisten in sozialen Netzwerken zu erkennen ist, was sie wirklich denken? Peter Schaar denkt einen Schritt weiter. Was ist, wenn sich jemand in einem Forum für spezielle Krankheiten engagiert und informiert? Dürfen Arbeitgeber oder potentielle Arbeitgeber diese Informationen verwenden?
„Da habe ich meine Zweifel! Da ist auch in bestimmten besonders kritischen Bereichen der Gesetzgeber gefordert Grenzen zu ziehen. Im Arbeitsverhältnis brauchen wir deutliche Grenzen, die dann auch beachtet werden. Man wird nicht verhindern können, dass jemand nach Daten gezielt sucht, aber dann muss man natürlich fragen, ob diese auch verwendet werden dürfen. Wenn sie verwendet werden, muss das mit offenem Visier geschehen.“ (Peter Schaar)
Die Fälle von Nasr und Weigel zeigen aber: Bei Journalisten geht es aber nicht nur um den persönlichen Schutz, sondern um Glaubwürdigkeit. Warum – das erklärt Wirtschaftsjournalisten Jochen Mai. Er ist Autor der Karrierebibel und sagt: Wer erkennbar, auch in sozialen Netzwerken, als Journalist im Netz unterwegs ist, muss auch im Sinne seines Arbeitgebers handeln.
„Wenn du dich in privat gegen die Grundlinien deines Blattes äußerst, dann deutet das zumindest auf Spannungen innerhalb der Redaktion hin. Das kann aber auch der Marke schaden. Je nachdem wie medienpräsent oder wie sehr man in seinem Auftritt bei Twitter oder in seinem Blog als Redakteur erkennbar ist. Das kann der Marke schaden und damit ist man dafür verantwortlich.“ (Jochen Mai)
Bei all dem Reiz der neuen Online-Welt könnte der eine oder andere Journalist jetzt sagen: Da lass ich die Finger von – gerade wenn ich damit sogar meinen Job riskiere! Bloß nicht – sagt hingegen Jochen Mai und gibt Tipps:
„Man sollte sich fragen, ob ich auch noch in drei Jahren zu dem stehe, was ich da äußere. Sowohl in der Redaktion, als auch extern vor meinen Freunden. Das ist auch eine ganz wichtige Frage, denn das Internet vergisst natürlich nicht. Ansonsten finde ich ganz wichtig, dass man den Dialog mit den Lesern, Zuhörern und Zuschauern sucht und sich auch eingestehen kann, Fehler gemacht zu haben, oder mit seiner Meinung falsch gelegen zu haben.” (Jochen Mai)
Den schwarzen Peter müssen sich die CNN-Frau und der Washington-Post-Blogger aber auch nicht komplett selbst zuschieben – die Reaktionen seitens der Arbeitgeber können auch als überzogen bewertet werden. Der Buchautor Mai macht sich Gedanken, ob es von CNN so klug war, sich direkt von der Nah-Ost-Journalistin wegen einer Twitter-Kurznachricht zu trennen – er sähe da heutzutage auch andere Möglichkeiten! Schließlich sei das Netz ein Kommunikations-Medium.
„Deswegen ist auch die Kündigung von solchen Journalisten eigentlich der falsche Weg. Das ist noch old-school. Man hätte eigentlich sagen müssen: „Okay, wir führen diese Diskussion öffentlich. Wenn wir im Zweifelsfall feststellen, die Redakteurin war mit ihrer Meinung falsch, dann kann sie auch genauso gut die Gelegenheit bekommen zu sagen ‘Okay, ich habe das zwar damals gesagt, aber jetzt erkenne ich, das war so nicht ausdifferenziert und jetzt würde ich das anders sagen.'” Das unterstreicht ja auch die Glaubwürdigkeit einer Redaktion, dass man in der Tat nicht Papst und somit unfehlbar ist.” (Jochen Mai)
Darf sich nicht jeder Profi auch mal einen Fehler leisten?
„Meine Güte, wir sind alle Menschen – auch als Journalisten.“ (Jochen Mai)
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Dieser Beitrag lief am 09. Oktober 2010 im WDR 5 Medienmagazin Töne, Texte, Bilder. Hier geht es zur Sendungsseite und der Podcast ist auf dieser Webseite abzurufen. Das WDR 5 Medienmagazin Töne, Texte, Bilder ist an jedem Samstag von 15:05 – 15:35 Uhr zu hören. Links: Sender – Sendungsseite – Frequenzen – Livestream – Podcast.