Der Geschichtenerzähler – Die Gutjahr-Debatte nach dem iPad-Start

Es tobt gerade eine intensive Debatte unter bloggenden Journalisten, und solchen, die es werden wollen. Es geht um Richard GutjahrsBerichterstattung rund um den Verkaufsstart des iPads. Der freie Journalist (u.A. Bayerischer Rundfunk) war vor Ort, hat sich 24 Stunden als Kunde in die Wartschlange gestellt und über Twitter, Flickr, YouTube und sein Blog* in aller Ausführlichkeit informiert. Er hatte den “alten” Medien eins voraus: Sie mußten hinter einem weiteren Sperrgitter warten und er konnte Dinge zeigen, die sonst niemand zeigen konnte.

Im Kern steht jetzt die Frage: Wie sehr darf ein Journalist in seiner Berichterstattung aufgehen, ohne dabei seine Unabhängigkeit zu verlieren?!

Hierzu sind viele interessante Aspekte angeführt worden – oft Gutjahr kritisierend aber gleichzeitig bewundernd. Natürlich gab es auch einige schäbige Kommentare – aber ich glaube da kann man einfach drüber hinweg sehen, denn die bewundernde Abwehrhaltung in dieser Debatte zeigt: Es gibt einen großen Nachholbedarf, wie Geschichten modern erzählt werden können. Offenbar haben die Leser hier auch einen entsprechenden Bedarf.

Bitte lest den Blogeintrag von der geschätzten Kollegin Inge SeibelHier läuft etwas falsch“. Sie fasst die Diskussion treffend zusammen und ihre Bewertung könnte ich so unterschreiben. Deswegen werde ich mich mit der Diskussion an dieser Stelle nicht näher beschäftigen. Wer etwas tiefer in die Texte einsteigen sollte, findet die wichtigsten Artikel in der wunderbaren Link-Sammlung von Felix Hügel.

Was wir lernen: Wie wir Geschichten erzählen können!

Da ich den Weg, wie Richard von der iPad-Einführung berichtet hat, beispielhaft finde, habe ich seine Berichterstattung in meiner Linktipp-Rubrik bei Antenne Düsseldorf den Hörern vorgestellt – damit die sich ein eigenes Bild machen können:

[audio:http://www.mywebwork.de/fiene.tv/sounds/gutjahr-biz.mp3]

Was wir auch lernen: Geschichten im Netz zu erzählen schafft Transparenz!

Mein wichtiges Anliegen in dieser Diskussion ist aber ein anderes: Einige Kritiker werfen Gutjahr vor, er würde als Fanboy doch gar nicht neutral berichten können und somit seinen Stand als Journalist gefährden!?

Ist das nicht etwas heuchlerisch? Ich bin mir nicht sicher, ob die Kritiker Ahnung vom journalistischen Alltag haben. Jeder Journalist hat eine Position zu seinem Thema. In der Berichterstattung spielt aber die keine Rolle und die Kunst ist es, die Ausgewogenheit herzustellen. Im Kollegen- und Freundeskreis wird das Thema dann aber abgefeiert oder es wird drüber abgelästert. Der Zuschauer bekommt von dieser Haltung aber nichts mit. Nehmen wir nur einmal die politische Berichterstattung: Ein Großteil der Journalisten weiß natürlich, wer bei der nächsten Wahl die eigene Stimme bekommt – oder nicht.

Der einzige Unterschied im debattierten Fall ist: Die Meinung des Autors kennen nicht nur seine Freunde und Kollegen – sondern wir alle! Seine Position ist transparent. Ich finde, das ist ein wesentlicher Punkt, durch den Gutjahrs Berichtersattung profitiert. Dadurch wird die authentisch. Wer parallel dazu seine Berichte für die Abendzeitung und sueddeutsche.de konsumiert, stellt schnell fest, dass dies keine gefärbten, sondern kritische Berichte sind. Dass Gutjahr das geschafft hat ist keine Heldentat, sondern Handwerk. In seinem Experiment ist ihm aber anzurechnen, dass er Transparenz geschaffen hat.

Und genau das wünsche ich mir manchmal auch von anderen Kollegen.

(* Disclaimer: Sein Blog liegt auf einem Server den ich betreibe – ansonsten habe ich mit der Sache nichts zu tun, sondern war nur begeisterter Beobachter)

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